Wenn die Lebkuchen im Supermarkt liegen, trudeln die E-Mails ein: Backen für den Schulbasar. Glühweinkochen für die Vereinsfeier. Und der Adventskalender ist auch noch nicht bestückt.
Frei nach Karl Lagerfeld: Wer an einem Samstagabend um 22.48 Uhr in der Küche steht, leise bis laut vor sich hin flucht und versucht, klebrigen Lebkuchenteig aus der Kitchenaid zu kratzen, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Beziehungsweise: Die Vorweihnachtszeit hat die Kontrolle übernommen. Advent, Advent, die Mutter rennt (und dreht dabei langsam, aber sicher durch). Das ist übrigens nicht von mir, sondern vom „Spiegel“.
Och nö, denken Sie jetzt, eine weitere Kolumne darüber, wie stressig die Adventszeit für die armen Eltern ist. Und Sie liegen damit goldrichtig. Wo kann ich mich denn ausjammern, wenn nicht bei Ihnen? Da müssen Sie jetzt durch.
Woran ich merke, dass bald Weihnachten ist? Nicht an den Lebkuchen im Supermarkt. Sondern an den E-Mails, die seit Mitte November praktisch täglich auf meinem Handy aufploppen: In der Schule steht der Adventsbasar an – wer kann backen, 3D-Weihnachtslichter basteln, Zuckerstreusel mit in die Schule geben? Ich trage Termine für Adventssingen und Gitarrenvorspiele in den Kalender ein und frage mich, ob es menschenmöglich ist, im Stuttgarter Feierabendverkehr in 18 Minuten vom adventlichen Ständerling hier zur Weihnachtsfeier vom Fußballverein da zu kommen. Wann war ich eigentlich zuletzt im Pilates?
Meine To-do-Liste wird immer länger – und sie klingt, als habe sie einer von Santas Weihnachtswichteln geschrieben. Ich checke, ob einer unserer Backpinsel so präsentabel aussieht, dass ich ihn meiner Tochter guten Gewissens mit in die Schule geben kann. Ich schaue mir Youtube-Anleitungen an, die mir erklären, wie wir „super einfach“ Sterne aus Butterbrotpapiertüten basteln können – und verliere mich mit einer Freundin am Telefon in der verführerischen Fantasie, wir könnten zum nächsten Schulbasar einfach eine Packung Bahlsen-Kekse auf den Verkaufstisch knallen.
Adventskalender zwischen Süßis und Plastikkruscht
War noch was? Stimmt, einen Adventskalender soll es auch noch geben. Der soll nicht nur Süßis enthalten, aber auch keinen Plastikkruscht, der am Ende nur in der Ecke liegt und dazu beiträgt, dass unsere Welt im Müll erstickt. Ich habe kürzlich gelesen, der Ur-Adventskalender seien 24 Kreidestriche an einer Tür gewesen. Jeden Tag durften die Kinder einen davon wegwischen. Eine verlockende Idee eigentlich – was meine Töchter wohl dazu sagen würden?
Wissen Sie, wen ich aus tiefstem Herzen bemitleide? Mütter von kleineren Kindern als meinen. Durch „peer pressure“ und „Och, wie goldig, das könnte ich doch auch noch...“ wurden sie dazu gebracht, bei sich zu Hause auch noch eine Wichteltür zu installieren. Kommt aus Skandinavien, hat bei uns null Tradition, aber hey, einer geht noch! Die Vorstellung, dass ich um 23.37 Uhr noch Briefe von besagtem Wichtel verfasse (und dabei einen Krampf kriege, weil ich ja meine Schrift verfremden muss) oder Kekskrümel auf dem Boden vor dem Türchen (die ins Nichts führt, ins NICHTS) verteile, ist zu viel für mich.
Und womit ich mich überhaupt noch nicht beschäftigt habe: Was gibt’s eigentlich zu Weihnachten? Also unterm Baum und auf dem Tisch. Hilfe! Wo ist denn gleich wieder meine To-do-Liste?
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Theresa Schäfer (43) ist Mutter von Zwillingen - und Redakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power und argumentativen Logik von zwei Zwölfjährigen steht sie manchmal völlig geplättet gegenüber.