Für jedes Problem ein neues Buch: Ratgeber für Elternthemen gibt es viele. Darf man sich da noch aufs Bauchgefühl verlassen?

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Können Ihre Kinder schon lesen? Dann sollten Sie darauf achten, welche Bücher Sie herumliegen lassen. Erziehungsratgeber zum Beispiel kommen ab einem bestimmten Alter bei jungen Familienmitgliedern nicht so gut an. Wenn ein solches Buch Kindern in die Hände falle, „dann ist alles vorbei“. Das schreibt der Autor meines Lieblingsratgebers. „Teenie Leaks“ heißt das Buch und gibt Einblick in den Pubertätsalltag – aber nicht aus Sicht von überforderten Eltern oder klugen Therapeuten. Verfasst ist das ebenso lustige wie lehrreiche Werk aus der Sicht eines persönlich Betroffenen – Paul Bührle hat es im Alter von 15 Jahren geschrieben.

 

Warum lesen Eltern Ratgeber? Dieser Frage widmet Paul ein Kapitel, nachdem er ein Buch mit dem Titel „Wenn Erziehen nicht mehr geht“ auf dem Nachttisch seiner Eltern entdeckt hatte. „Waren sie so sehr mit mir und meinem Bruder überfordert? Irgendwie fühlte ich mich auch verraten“, notiert Paul und weiter: „Wenn ihr ein Problem mit mir habt, dann sagt das doch…“

Die besten Ratgeber? Liebe, Vertrauen, Gelassenheit

Trotz der Kritik Pauls an den viel zu durchschaubaren Erziehungsmethoden meiner Generation habe ich sein Buch sehr gern gelesen. Wie er tue ich mich mit Ratgebern für Elternthemen ansonsten eher schwer. Auch wenn ich in allen anderen Lebensbereichen der Meinung von Experten und noch lieber der von Expertinnen folge, verlasse ich mich in Sachen Erziehung lieber auf mein Bauchgefühl. Und das sagt: Liebe, Vertrauen und Gelassenheit sind die besten Ratgeber.

Weil ich spät Kinder bekommen habe, wurde ich schon während der Schwangerschaft von Freundinnen bestens mit einschlägiger Lektüre versorgt. Ich habe mich für jeden Ratgeber artig bedankt - und alle ungelesen gestapelt. Auf keinen Fall wollte ich diesem neuen Lebensabschnitt seine Einmaligkeit nehmen, sondern ihm unbelastet von Eindrücken anderer begegnen. Wie dem gut gelaunten, gesunden Säugling, dessen Verdauungsfahrplan Hebamme und Kinderärztin zunehmend nervös machte. Nur einmal im Monat? Geht nicht, da müsste, wäre die Mutter nicht so stur, was getan werden. Ein Gespräch im Verwandtenkreis ergab später, dass Unmögliches familiär bedingt ganz banal sein kann.

Bei Problemen und in stürmischen Zeiten haben mir am meisten Gespräche mit Freunden in ähnlichen Situationen geholfen. Aber vielleicht werden heute bessere Ratgeber geschrieben? „Ich betrachte Elternschaft als etwas Langfristiges und halte nicht viel von kleinen Tricks und Kniffen. Mich interessiert, wie wir eine Beziehung zu unseren Kindern aufbauen können, nicht, wie wir sie am besten manipulieren.“ Was die britische Psychotherapeutin Philippa Perry schreibt, macht Lust auf mehr. Der Titel ihres Buchs würde vielleicht auch Teenager wie Paul ansprechen statt sie zu verstören. Er lautetet: „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“.

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Andrea Kachelrieß hat zwei Kinder, und das seit einigen Jahren. Gefühlt bleibt sie in Erziehungsfragen aber Anfängerin: Jeder Tag bringt neue Überraschungen. Im Kulturressort betreut sie unter anderem die Kinderliteratur.