Manchen Leuten stinkt es gewaltig, dass es in der virtuellen Realität so wenig zu riechen gibt. Eine neue Entwicklung aus China soll Abhilfe schaffen. Allerdings gibt es dabei auch einige Schwierigkeiten.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Alle reden von Künstlicher Intelligenz (KI). Man könnte meinen, dass Computerspezialisten derzeit an nichts anderem mehr arbeiten als an mehr oder weniger schlauen Programmen, die schon bald einen Großteil der Jobs übernehmen könnten – oder gleich die Weltherrschaft.

 

Es gibt aber nach wie vor auch andere interessante Entwicklungen in der Techbranche. Zum Beispiel auf dem Gebiet der virtuellen Realität (VR). Für diejenigen, die sich nicht mehr so genau erinnern: Dabei geht es um die Schaffung einer digitalen Parallelwelt, in der man sich ähnlich bewegen kann wie in der echten Welt.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat dafür den Begriff Metaverse geprägt und seinen Laden deshalb gleich in Meta umgetauft. Mit Blick auf Bild- und Tonqualität hat die VR gegenüber ihren Anfängen schon bemerkenswerte Fortschritte erzielt, auch wenn es hier und da noch ein bisschen ruckelt. Selbst für die Simulation von Berührungen gibt es bereits technische Lösungen. Was bislang zu kurz kommt, sind olfaktorische Reize – besser bekannt als Gerüche.

Parfümiertes Paraffin

Forschende der City University in Hongkong und der Beihang University in Peking wollen das ändern. Sie haben einen Geruchserzeuger entwickelt, der binnen Sekunden Düfte freisetzen kann. Bisherige Systeme hätten eine lange Reaktionszeit und erzeugten eher dumpfe Gerüche, sagen die Entwickler. In ihrem Gerät befindet sich Paraffinwachs, das mit Geruchsstoffen versetzt wurde. Über einen Heizwiderstand lässt sich das Wachs erhitzen und setzt dadurch sofort den gewünschten Geruch frei – zum Beispiel, wenn man in der virtuellen Welt an einer Blume schnuppert. Ein Geruchsgenerator wird zwischen Nase und Oberlippe befestigt, weitere werden in eine VR-Brille integriert.

Mit fünf verschiedenen Paraffin-Parfüm-Mischungen können den Angaben zufolge Hunderte Geruchskombinationen erzeugt werden. Nicht nur VR-Simulationen könnten so noch realistischer werden. Auch dem Fernseh- und Filmpublikum könnte die Technik zusätzliche Sinneseindrücke bescheren – die nicht in jedem Fall angenehm wären. Man denke nur an eine Reportage aus einem Schweinestall oder aus der Kabine einer Herrenfußballmanschaft nach dem Spiel. Für solche Fälle braucht es auf der Fernbedienung unbedingt eine gut sichtbare Ausschalttaste für die Geruchswiedergabe. Andere Zuschauergruppen könnten wiederum einen mit aktuellen Düften unterlegten TV-Werbespot der Parfümerie Douglas als Zumutung empfinden – nach dem Motto: „Come in – and Cry out!“

Ein Näschen für neue Trends

Mit ihrer Entwicklung haben die chinesischen Forscher auf jeden Fall bewiesen, dass sie ein Näschen für neue Trends haben. Andererseits erscheint es politischen Beobachtern etwas anrüchig, dass ausgerechnet im Reich Xi Jinpings an solchen Technologien gearbeitet wird. Den der allmächtige Staatsapparat könnte die Technik nutzen, um seine Untertanen künftig auch mit sogenannten Geruchsfakes gefügig zu machen. Wenn zum Beispiel die Luft in Schanghai mal wieder zu dreckig ist, wird den Bürgern einfach per Geruchsgenerator der Duft von Frühlingsblumen vorgegaukelt. Ein dicker, nach Schweiß riechender Parteifunktionär wird mittels Geruchsfake und KI-basierter Figuroptimierung schnell zum nach Sandelholz duftenden Adonis. Systemkritiker werden es nicht leicht haben, gegen solche perfiden Tricks anzustinken.

Eine kleine digitale Geruchskorrektur könnte aber auch helfen, Konflikte zu entschärfen – wenn man es zum Beispiel öfter mit Leuten zu tun hat, die man partout nicht riechen kann. Bekanntlich wirken sich Gerüche besonders stark auf unsere Gefühle aus – denn des Riechhirn gehört zu den entwicklungsgeschichtlich ältesten Teilen unseres Denkorgans. Das könnten sich auch Führungskräfte zunutze machen. Die Mitarbeiter haben mal wieder die Nase voll von nicht nachvollziehbaren Entscheidungen der Geschäftsführung? Kein Problem – ein geschickt im Büro oder Homeoffice platzierter Geruchsgenerator, der entspannende Düfte von sich gibt, bringt die Beschäftigen schnell wieder ins Gleichgewicht. Der Begriff Schnupperpraktikum bekommt damit eine ganz neue Bedeutung.