Ist nach dem Aus für das Stuttgarter Weindorf in Hamburg die schwäbisch-hanseatische Freundschaft noch zu retten? Unser Kolumnist Uwe Bogen hat mit den Betreibern des Fischmarktes gesprochen, die verärgert über die Politik ihrer eigenen Stadt sind.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart/Hamburg - Nicht nur der Bismarckhering ist sauer. Wilfried Thal, der Präsident des Schaustellerverbandes Hamburg, ist es ebenso. Dass die Behörden seiner Heimatstadt mit hoher Miete das Stuttgarter Weindorf vertrieben haben, sei „typisch“ für die Politik des Regierenden Bürgermeisters Olaf Scholz, der Traditionen opfere, um auf große Welt zu machen, poltert der Präsident. „Im Sommer kommen wir mit gesenktem Haupt nach Stuttgart“, hat Thal, der als Geschäftsführer das Auswärtsspiel des Fischmarktes verantwortet, unserer Zeitung gesagt. Froh ist er, dass die Schwaben nicht ihrerseits die Miete für den Karlsplatz erhöht haben.

 

Wer hat hier wem die Freundschaft aufgekündigt? Stuttgart und Hamburg sind über 600 Kilometer voneinander entfernt. Doch die Distanz ist noch größer, seit es vor wenigen Tagen geknallt hat. Nach über 30 Jahren werden die Wirte aus dem Süden nie mehr ihre Lauben im Norden errichten. So sehr mögen sie die Hanseaten auch wieder nicht, dass sie Verluste in Kauf nehmen, nur damit’s da oben a schees Feschdle gibt. Ein Fest mit leckeren Dingen, die dort keiner aussprechen kann: mit Viertele, Flädle, Bubaspitzle, Ofaschlupfer. Und nie haben die Hamburger begriffen, warum sie bei der Trollinger-Sause die Gläser kaufen mussten, die sie an Hotelzahnputzgläser erinnerten.

Platzmiete von 46 000 auf knapp 100 000 Euro erhöht

Dabei ist es nur verständlich, warum die Hamburger die Gebührenschraube angezogen haben, also statt bisher 46 000 Euro Platzmiete knapp 100 000 Euro von den Schwaben wollten. Alles für Elphi! Andere Festveranstalter würden auch so viel bezahlen. Die armen Hamburger können nicht anders. Sie müssen ein Mega-Konzerthaus finanzieren!

Ohne gewaltige Kostensteigerungen und Bauverzögerungen funktionieren Großprojekte heute nicht mehr. Dies müsste man in der Heimat von Stuttgart 21 wissen. Die Elbphilharmonie hat 789 Millionen Euro gekostet – 320 Prozent mehr als geplant. Bestimmt sind im Gegenzug die Hamburger bereit, für ihren Fischmarkt in Stuttgart freiwillig mehr hinzublättern, auch wenn dies noch nicht verlangt wird, damit die Finanzierung von S 21 schneller von der Hand geht.

Wird dann Stuttgart 21 auch erst 2037 fertig?

Was aufs „Jahrhundertbauwerk“ der Schwaben zukommt, kann sich ausmalen, wer die Bauverspätung und die Preisexplosion bei Elphi auf den tiefgelegten Bahnhof überträgt. In Hamburg dachten die Verantwortlichen, dass die Konzertstätte nach drei Jahren fertig wäre. Es hat dreimal länger gedauert. Die „Landesschau“ des SWR hat diese Fakten für S 21 hochgerechnet: Würde in Stuttgart alles so kommen wie in Hamburg, könnte der erste Zug im Jahr 2037 in den unterirdischen Bahnhof fahren – nach Ausgaben von dann 10,4 Milliarden Euro.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Fischköpfe, wir sind nicht sauer, weil eure Behörden unsere Wirte wie eine Zitrone auspressen wollten. Dafür könnt ihr nichts, am wenigsten euer netter Schaustellerpräsident. Ihr habt es eh schon schwer. Beim Städteranking stehen wir, was Lebensqualität und Arbeitsmarkt angeht, deutlich vor euch. Obendrein scheint die Sonne bei uns viel öfter.

Fischmarkt feiert im Sommer den 30. Geburtstag in Stuttgart

In diesem Jahr feiert der Hamburger Fischmarkt seinen 30. Geburtstag in Stuttgart. Wir feiern mit und boykottieren das Jubiläum nicht. Der Austausch der schwäbischen und hanseatischen Lebensart mag nur noch einseitig sein, aber an Rache denken wir nicht.

Dafür mögen wir die Hamburger viel zu sehr – am liebsten mit Zwiebeln und heiß vom Grill.