Warum eine Lesereise nur mit ihrem alten Gefährten Spaß macht, schildert unsere Kolumnistin Anna Katharina Hahn.
Im obersten Schrankfach steckt er, grau und etwas verkrumpelt. Er knarzt, als ich ihn ungeduldig an einem seiner gepolsterten Schultergurte herausziehe. Eines der Fächer an seiner Vorderseite wurde beim Wegpacken nicht geschlossen, es steht halb offen wie ein missmutiges Maul und knurrt mich an: Na, was zerrst du so grob an mir? Geht’s wieder los? Ich schüttle ihn aus, stelle ihn auf den Boden, noch nicht ganz sicher, ob die Unlust meines alten Reisegefährten nicht ansteckend ist. Er diente meinem jüngeren Sohn als Schulrucksack und begleitet mich, seit er ausgemustert wurde, auf meinen Lesetouren durch das Land. Was ich dafür brauche, kann er problemlos fassen: ein Bühnen-Outfit, ohne das ich mich vor Publikum nicht wohlfühle, es sind immer Kleider und hohe Schuhe, denn jede eine Lesung ist ein Auftritt. Dazu kommen eine umfangreiche Kosmetiktasche und – weil ich nicht sicher bin, was mir wirklich gefällt - ein zweites Kleid, ein weiteres Paar Schuhe. Bequeme Wechselklamotten für die Bahnfahrt. Ein dicker Schal. Der aktuelle Roman. Mindestens zwei Bücher für unterwegs, ein Klassiker und etwas Nagelneues. Ein Vesper, Tee in der Thermoskanne, falls der Speisewagen wieder mal ausfällt. Ein Notizbuch.