Mütterfreundschaften sind etwas Wunderbares: Glucken, lästern, Babys süß finden. Keine hackt der anderen ein Auge aus. Aber das dicke Ende kommt bestimmt. Unsere Kolumnistin Simone Höhn hat es erlebt.

Stuttgart - Mit dem ersten Kind wird fast zwangsläufig die erste Muddi-Clique geboren. Es beginnt im Geburtsvorbereitungskurs, geht weiter beim Babyschwimmen, schließlich verabredet man sich im Eltern-Kind-Zentrum oder auf dem Spielplatz, um sich später gegenseitig zum Krabbelgruppen-Kaffekränzchen einzuladen. Mütter, Mütter, überall nur Mütter.

 

Das Erstaunliche an diesen Zweckgemeinschaften: die haben sich alle auch noch ganz doll lieb! Wo man pränatal vor so vielen Frauen auf einem Haufen (Büro) gerne Reißaus genommen hätte, trifft man sich postnatal freiwillig, um das Thema Baby von den ganz großen Fragen („Wollt ihr noch ein zweites?“) bis ins kleinste Detail („in der Apotheke gibt es gerade so ein Wundspray im Angebot“) auszuleuchten. Von wegen Mütterkonkurrenz und nerviges Breichengequatsche: die Babywelt kann so herrlich schön rosarot sein! Lauter Freudens- und Leidensgenossinnen mit ähnlichen Tages- und Nachtabläufen, denselben Glücksmomenten, Sorgen, Fragen und Zweifeln – das schweißt zusammen.

Im trauten Mütterkreis

Kritik behält man erst mal schön für sich – schließlich will niemand das zarte neue Pflänzchen Mamifreundschaft gefährden. Lieber rottet man sich zusammen und grenzt sich ab gegen all die Besserwisser und Dreinschwätzer, die sich seit Geburt sowieso inflationär und ungefragt zu Wort melden (junge Mütter erhalten ja mit Beginn der Elternzeit ein Abo auf gut gemeinte Ratschläge und nützliche Kommentare von Nachbarn, Freunden, Schwiegermüttern, Vätern, Kassiererinnen, Passanten, Kollegen). Wie herrlich befreiend wirkt da ein gepflegtes Lästerkränzchen im trauten Mütterkreis!

Hallo, aufwachen! Wir sind nicht im Muddi-Märchen! Ist die kokonhafte Säuglingsphase erst mal vorbei, bekommt die Mütterseligkeit erste Risse. Einst brave Babys werden plötzlich zu kleinen Teufelsbraten, vor denen man seinen Spross in Sicherheit bringen muss. Erste Bewährungsprobe für fein gesponnene Freundschaftsbande: Laisser-faire, alte Schule, Waldorf oder Gluckentum? Wer hat ähnliche Auffassungen, und wer nervt mit pädagogischer Penetranz? Die Spreu trennt sich vom Weizen, und die Muddi-Clique dezimiert sich.

Die rosarote Babyblase platzt

Die erst so grenzenlos scheinende Toleranz endet abrupt zu dem Zeitpunkt, da die Kleinen ihren eigenen Willen entwickeln. Dann wird aus Theorie Realität, und die Mütter gehen auf Position. „Darf sie einen Keks haben?“ , „Kann ich kurz den Fernseher anmachen?“, „Willst du ihm nicht lieber die Schaufel wegnehmen?“ Wer glaubt, dies seien arglose Fragen, sollte sich mal in eine Muddi-Clique schmuggeln. Ganze Erziehungskonzepte und Lebensentwürfe stecken hinter Antworten wie „Nein, sie bekommt noch nichts mit Zucker“, „Bei uns läuft nie der Fernseher, während der Kleine anwesend ist“ oder „Die Kinder sollen das ruhig unter sich ausmachen“.

Und plötzlich sind sie da, die missbilligenden, verständnislosen Mütterblicke, von denen man so oft gehört hatte. Die rosarote Babyblase platzt, und das Märchen von den Mamis, die sich alle ganz doll lieb haben, ist nun zu Ende.