Wer sucht, findet Gründe, warum Kinder einen im Leben weiterbringen. Es sind genau fünf, hat unser Kolumnist Dieter Fuchs festgestellt.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Stuttgart - Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde – seit unser Sohn mich als Reittier nutzt, habe ich oft Gelegenheit, über diesen Sinnspruch nachzudenken. Welches schwer zu beschreibende Glücksgefühl Pferde wohl empfinden, wenn Reiter sie mit ruckartigem Ziehen an den Ohren lenken? Vielleicht ist es vergleichbar mit dem elterlichen Glücksempfinden, wenn der Sohn um drei Uhr morgens mit der rhetorischen Frage ins Zimmer wackelt: „Spielen?“ Glück und Kinder, eine der großen Fragen. Abseits von autosuggestiven Sehnsüchten fällt die Antwort nicht ganz leicht. Erst kürzlich erbrachte eine Umfrage zu diesem Thema das klare Ergebnis: Es kommt darauf an. Dabei bleibt meiner Ansicht nach ein Aspekt oft unterbewertet: die Erkenntnis, die Kinder einem schenken. Weil die höchste Erkenntnis unzweifelhaft das höchste Glück ist, gibt es genau fünf Gründe, warum Kinder ihre Eltern glücklich machen.

 

1. Willst du dein Kind verändern, verändere dich selbst. Wenn dich also dein Kind schlägt, tritt und anspuckt, dann erkennst du darin deine eigenen Bedürfnisse. Dein Charakter liegt diesem diskussionswürdigen Verhalten zugrunde. Also schlage, trete und spucke nicht zurück, auch wenn du es dir noch so sehr wünscht. Umarme es, würdige seinen Wunsch nach Kontaktaufnahme, und es wird aufhören – vielleicht. Und du wirst ein besserer Mensch.

2. Erziehung überwindet die Grenzen der Geschlechter. Meine Frau hat unserem Sohn einen Kinderbuggy geschenkt, um allzu eindeutige geschlechtsspezifische Impulse auszugleichen. Weil er ein netter Junge ist, fuhr er einige Wochen mit einer alten Puppe darin durch die Gegend, um schließlich doch sein geliebtes Spielzeugmotorrad darin zu platzieren oder wahlweise den Buggy als Rasenmäher zu benutzen. Das nenne ich Gendersynthese.

3. Zeit ist relativ. Vom letzten der Einschlaflieder bis zu dem Augenblick, in dem die kleinen Augenlider endgültig geschlossen sind, vergehen gefühlt manchmal Stunden. Zeit, in denen man selbst seine Augenlider kaum unter Kontrolle halten kann.

4. Demokratie ist dem Menschen nicht angeboren. Mehrheitsentscheidungen sind unserem Sohn fremd. Seine Entschlüsse, mögen sie auch auf einer noch so brüchigen Argumentationsbasis gründen, sind die a priori gültigen. Dies gilt auch dann, wenn sie im Minutentakt geändert werden. Von den seinen abweichende Meinungen tragen stets den Ruch der Subjektivität in sich. Denn worin liegt der Unterschied, ob man seinen eigenen Plastiktraktor vom Kindergarten mit nach Hause nimmt oder den Mercedes des Spielkameraden, der deswegen schon halb ohnmächtig ist vor Zorn?

5. Die inneren Hürden sind die höchsten. Man kann sich vorher nicht vorstellen, wie selbstverständlich der Umgang mit Ausscheidungsprodukten werden kann, ob in der täglichen Konversation, in der Erziehung oder im Abfallmanagement. Exkremente beschäftigen einen derart, dass man irgendwann vergisst, früher eine gewisse Distanz dazu gewahrt zu haben. Die Windelentwöhnung steht bevor. Vielleicht wird danach etwas fehlen.