Reisen mit Kindern ist eine echte Herausforderung. Das fängt beim Packen an. Aber auch Sonne und Regen machen die Sache nicht einfacher. Unser Kolumnist Martin Gerstner wappnet sich für die schönsten Wochen des Jahres.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Stuttgart - Laut Einstein gab es einen Zeitpunkt, zu dem die gesamte Galaxie auf das Volumen null zusammengepresst war. Dass dies möglich ist, beweisen während der Urlaubszeit Eltern, die das Volumen der Kinderunterwäsche auf null reduzieren und sie in einen Koffer pressen, der sein Fassungsvermögen um das 15-Fache überschritten hat. Versuche, auch das Volumen der Kinder zu komprimieren, sind bisher gescheitert.

 

Der logistische Aufwand des Familienurlaubs gleicht dem Zug Hannibals über die Alpen. Der hatte wenigstens Trageelefanten. Familien haben Plüschelefanten und einen Kombi. In den pressen sie Sonnenöl, Taucherbrillen, CDs, Kassetten, lange Hosen, kurze Hosen, Medikamente gegen Allergien, Sonnenbrand, Wespenstiche und Blasen, Windschutz, Spielesammlung, Mützen, Bücher, Bücher, Bücher. Oben drauf liegt ein ernst blickendes Kuscheltier.

Schwerer zu verkraften ist der Moment, in dem Eltern erstmals zur Buchung während der Hochsaison gezwungen sind. Im Katalog lachen ihnen Preisaufschläge entgegen, gegen die das Treiben der entfesselten Finanzmärkte fast etwas Protestantisch-Redliches hat. Am Ziel werden die Reisenden mit zwei meteorologischen Phänomenen konfrontiert: der Sonne und dem Regen. Der Regen schafft Momente einer solch poetischen Tristesse, dass ein Lars-von-Trier-Filmabend wie das Unterhaltungsprogramm einer Kaffeefahrt anmutet. Wer mit Hunderten von drei Meter großen Holländern und deren Kindern im Tiergehege einer österreichischen Kulturlandschaft steht und im Nieselregen zuschaut, wie das Kunsthabitat im Matsch versinkt, weiß, wie sich eine Depression anfühlt.

Das Familienauto – Bleikammer der Erlebnisgesellschaft

Die Sonne dagegen! Sie verwandelt das Auto auf der Fahrt in eine Bleikammer der Erlebnisgesellschaft. Im Fonds leuchten die roten Fixsterne der Kindergesichter, daneben mäandert zerschmolzene Schokolade lavagleich über die Sitze. Vorne quäkt die Stimme des Navis, das in einer italienischen Altstadt auf der Suche nach dem Hotel die städtische Müllkippe ansteuert. Auf der Kippe steht in dem Moment auch die Ehe der Eltern, die sich gegenseitig die Schuld an der verfahrenen Situation zuweisen. Wer es sich leisten kann, bucht deshalb ein All-inclusive-Resort und überlässt die Kinder einer professionalisierten Betreuungsmaschinerie. Der Vorteil: die Kinder beherrschen bald die gängigen Gesellschaftssportarten wie Golf, Tennis und Einrad. Der Nachteil: sie fordern nach der Rückkehr auch zu Hause ein umfangreiches Abendbüfett.

Man darf aber die schönen Seiten des Urlaubs nicht verschweigen. Dazu gehört die stillschweigende Solidarität anderer Eltern, wenn im Restaurant das allabendliche Spaghettichaos angerichtet wird. Dazu gehören auch jene Momente, in denen die Familie wie eine Karawane, die endlich die Oase erreicht hat, in der durchglühten Ferienwohnung lagert. Selbst die Kinder fallen der Apathie anheim, und die Eltern denken all jene Gedanken, die sie das ganze Jahr über denken wollten, immer noch nicht, weil es zu heiß ist. Es gäbe noch mehr Positives zu sagen, aber dafür ist keine Zeit. Die Strandsandalen müssen noch in den Koffer!