Schön lieb sein, nicht hauen, Konflikte im Gespräch lösen und allzeit kuschel bereit sein . . . Im Zeitalter der Weiblichkeit haben die kleinen Jungs es nicht leicht. Unser Kolumnist Martin Gestner kann es gar nicht mehr mit ansehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Stuttgart - Es muss hier an ein aussterbendes Geschlecht erinnert werden: Jungs, die irgendwann einmal zu Männern heranreifen sollen, sehen sich eingezäunt von einer Pädagogik, die gnadenlos auf Empathie, Gewaltfreiheit, Warmherzigkeit und Sensibilität setzt. Mit Laserschwertern fechten? Das wird als „frühe Fixierung auf das primäre Geschlechtsteil im Hinblick auf eine dem kapitalistischen Wettbewerb untergeordneter Körperlichkeit“ (oder so ähnlich) gebrandmarkt. Breitbeinig herumbrüllen? Stört den Tagesablauf in der Kita. Ins Freie stürmen, auf Bäume klettern, gegen Bälle kicken? Ist auf das Zeitfenster von 13.30 Uhr bis 14.15 Uhr reduziert und bringt die Nachbarn auf die Palme.

 

Eine gesellschaftliche Debatte, die im Weiblichen das Bessere sieht, wirkt auf die Pädagogik zurück. Männer verantworten schließlich Kriege und Krisen. „Hochmut kommt vor dem Phall“, titelte während der Lehman-Pleite eine Zeitung, Dass in den Büros der Investmentbanken jede Menge Frauen sitzen, wirft nicht mal eine Fußnote ab. Eltern wird mit pädagogischer Emphase unterbreitet, dass Mädchen intelligenter, einfühlsamer, disziplinierter und einfach adretter sind als Jungs. Fehlt nur noch, dass sie besser grillen. Mit den männlichen Vorbildern hapert es dagegen. Fußballspieler entpuppen sich als bildungsferne Modeschnösel. Ihre Gestik der gespielten Unschuld nach begangenen Fouls, ihre rudelhaft verschwitzte Kumpanei, die gewissenhafte Genitalsicherung in der Freistoßmauer sind kaum mehr als infantile Degressionsmechanismen. Soldaten, die Archetypen des Männlichkeitskults, posieren mit Maschinengewehr und Adidasbrille in Krisengebieten, klagen danach aber über posttraumatischen Belastungsstress.

Im Trend liegen dagegen Männer, die sich androgyn geben, eine behaarte Brust mit intellektueller Weitsicht paaren und ironisch-distanziert über das eigene Geschlecht reden. Diese Männer unterwerfen sich der weiblichen Dominanz in der Erziehung: „Mein Sohn ist manchmal ein wenig wild, aber eigentlich ein ganz lieber Kerl. Sie müssten ihn mal sehen, wie er seine ganzen Kuscheltiere ins Bett bringt.“ Was sollen Eltern also mit ihren Söhnen anfangen? Sie zum Ballettunterricht zwingen? Spielzeugpistolen verbieten? Ist es ein Alarmzeichen, wenn der Halbwüchsige lustvoll einen Käfer zertritt oder sich mit Spielzeugpanzern umgibt?

Zunächst mal haben Jungs das gleiche Bedürfnis nach Geborgenheit und Zuwendung wie die Mädchen. Das ist die Basis für ihre Expansion in die Welt, in der sich das Schöpferische und das Destruktive die Hände reichen. Ein Zurück zum Ideal des harten, schmerzunempfindlichen und gewaltbereiten Jungmanns wird es Gott sei Dank nicht geben. Aber ein wenig mehr Auslauf könnten wir den Jungs schon gewähren. Es gibt doch nichts Herrlicheres, als ein penibel aufgebautes Legogebäude mit wuchtigen Hieben wieder in den archaischen Urzustand zu versetzen. Und ist der Wechsel zwischen Aufbau und Zerstörung nicht ein Urprinzip des Lebens? Vielleicht verstehen Frauen das einfach nicht.