Wenn Kinder Gemüse verschmähen, muss das nicht das Schlimmste sein. Unsere Kolumnistin Verena Mayer hat so ihre Erfahrungen gemacht mit ihrer kleinen Nichte, die alles auf dem Teller liegen ließ, was grün war.

Region: Verena Mayer (ena)

Stuttgart - Angefangen hat alles mit einem kleinen Blatt. Grün und knackig, wie es war, rührte es das Kind, das ein Nichten-Kind ist, zu Tränen. Unter unaufhörlichem Schluchzen wies es darauf hin, dass es Salat nicht mag. Nie gemocht habe. Nie mögen werde. Und nein, auch dann nicht, wenn das widerliche Salatblatt in Nutella gebadet werden würde!

 

So ist es fast schon immer gewesen: Spaghetti mit Tomatensoße galten als essbar, wenn die Tomatensoße weg blieb. Wurstbrot war okay ohne Brot. Ratatouille kam weg wie nix, wenn es zuvor durch Pfannkuchen ersetzt worden war. Es half auch nichts, wenn man den armen Bauern anführte, der all das leckere Gemüse extra für das wachsende Kind gepflanzt hat. Und den bedauernswerten Mann vom Markt, der natürlich nur deshalb mitten in der Nacht zum Großmarkt aufgebrochen ist, damit das hungrige Kind jederzeit vor einem gedeckten Tisch sitzen kann. Das Kind war unbequatschbar, als hätte es Kroketten in den Ohren.

Salat muss segeln können

Doch das Galama mit dem Blatt brachte die Wende. Es stellte sich heraus, dass das Kind Salat doch mag. Dann nämlich, wenn er in fast unsichtbare Portionen zerfetzt durch die Luft segelt und, gleich – sagen wir – Feenblattgold, im sperrangelweit geöffneten Göschle landet. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Salattaktik.

Das Raffinierte an ihr ist, dass sie sich auch in anderen Bereichen der Kulinarik als anwendbar erwiesen hat. Die Salattaktik generierte unter das Drachenblutbad (Tomatensuppe), den Zwergen-Murmeln-Stampf (Erbsenpüree), den Piraten-Fraß (Eintopf) und das Riesen-Konfetti (Gnocchi).

Und dann, nach jahrelangem Taktieren, wurde das Unvorstellbare so real wie Spinatlasagne gesund ist: „Ich will für die Mama kochen“, spricht das Nichten-Kind zur Tante. Also wird gekocht: Pasta mit Gemüsebällchen. Vorzüglich! „Ich will für den Opa kochen“, spricht das Nichten-Kind als Nächstes. Also wird gekocht: Risotto mit Champignons. Zum Reinliegen!

Schluss mit dem Kraut-und Rüben-Look

Es folgen: die Oma, der Onkel, die andere Tante und der andere Opa.

Die Sache läuft, jubelt die Tante innerlich. Aus dem Ruder, stellt sie fest. Die Nachwuchskraft findet, zur aufreibenden Arbeit am Herd gehöre eine anständige Kochjacke samt Schürze. Schluss mit dem Kraut-und-Rüben-Look. Hübsch wäre auch, meint sie, eine Art Menü, aus dem die – Obacht – Gäste wählen können. Und wenn man schon dabei sei: Blöcke, auf denen die – Hilfe – Bestellungen vermerkt werden könnten, würden sich auch gut machen. Meine Güte! Was kommt als Nächstes? Der Wunsch nach einer Homepage: www.kochen-mit-nichten.de?

Gemach, beschwichtigt die Küchenchefin. Man solle nichts überstürzen. Um den Prinzipien der Regionalität und der Nachhaltigkeit zu folgen, möge man zunächst über die Anschaffung einer Ziege (wegen der Milch für den Käse) und einiger Hühner (wegen der Eier für die Soufflés) nachdenken. Und vielleicht, wer könne das wissen, findet sich auch irgendwo ein Plätzchen für ein Gemüsebeet.

Tja, was soll man dazu sagen? Am besten wahrscheinlich: Da haben wir den Salat!