Soll man die Haustiere von Freunden hüten? Schwierig. Aber pädagogisch sinnvoll. Denn oft hat sich nach dieser Aktion der Wunsch nach einem eigenen Haustier erledigt. Von unserer Kolumnistin Akiko Lachenmann

Reportage: Akiko Lachenmann (alm)

Wir dachten egoistisch, als wir die zwei Gespenstschrecken unserer Freunde in unser haustierloses Familienleben einführten. Wir dachten, wenn wir in der Urlaubszeit die Tiere anderer hüten, haben wir eine Weile Ruhe vor den Debatten zur existenziellen Rolle von Haustieren. So eine Phase könnte den Beweis erbringen, dass die Tierchen nur am Anfang spannend sind und danach von den Eltern versorgt werden müssen, um ein Ableben zu verhindern. Zugegeben, Gespenstschrecken – bis zu 14 Zentimeter lange Insekten, die wie welkes Laub mit Stacheln aussehen – sind nicht gerade die einfühlsamsten und kuscheligsten Begleiter. Aber sie sind zutraulich und einfach zu halten, dachten wir.

 

Die ersten Tage verliefen wie erwartet. Die Schrecken Zwickie und Zwackie mussten unentwegt auf Kinderarmen rumkrabbeln und wurden gemästet mit Brombeerblättern, ihrer Lieblingsspeise. Abends wurde verhandelt, in welchem Zimmer die Schrecken nächtigen. Die Eltern brauchten kaum einen Finger zu rühren. Selbst die kleinen schwarzen Böppel, die die Schrecken ausscheiden, wurden pflichtbewusst aufgelesen. Dann flaute das Interesse allmählich ab. Und das war auch gut so, denn bald darauf geschah das Unerwartete: Eine der beiden Schrecken litt sichtlich unter Schwächeanfällen, jedenfalls konnte sie sich nicht mehr am Strauch halten, an dem sie sonst hing. War es der Umzugsstress? Waren die aus Hintergärten geklaubten Brombeerblätter mit Pestiziden verseucht? War das Tier aus diesem Grund tags zuvor auf Wanderschaft gegangen, offenbar auf der Suche nach etwas Essbarem? Sie endete auf einem Tischbein im Esszimmer. Ausgerechnet an diesem Tag waren die zuständigen Insektenbetreuer nicht zugegen, und die Eltern mussten ran. Die Suche nach der ausgebüxten Schrecke begleitete ein Grauen, wie man es nur von Hitchcockstreifen kennt.

Die plötzliche Einsamkeit

Zwickie verschied. Zwei Tage darauf begann Zwackie zu schwächeln, trotz erlesener Brombeerblätter aus garantiert pestizidfreier Umgebung. Auch sie ging von uns. Es muss die plötzliche Einsamkeit gewesen sein, der Verlust des Partners, wir konnten es uns nicht anders erklären. Die Kinder glaubten nur vorübergehend der Version, dass die Schrecken sich wahrscheinlich mal ausschlafen müssten. Bald war auch ihnen klar: Haustiere machen es nicht lang bei uns. Und in wenigen Tagen würden die ahnungslosen Besitzer, die sehnsüchtig auf die Heimkehr ihrer Kleinode gewartet haben, vor der Tür stehen. Wir ließen sie im Ungewissen, um ihnen nicht den Urlaub zu verderben. Unser Schlaf war unruhig in diesen Tagen. Inzwischen stand der Käfig mit den Leichnamen, mit einem Tuch abgehängt, in unserem Zimmer in einer dunklen Ecke.

Wir weihten zunächst die Eltern ein. Es stellte sich heraus, dass die Schrecken in der Regel nicht älter als ein Jahr alt werden – und vor genau einem Jahr erworben wurden. Vielleicht waren wir gar nicht schuld an dem tragischen Doppeltod. Trotzdem werden wir so bald keine Haustiere mehr hüten. Unser eigentliches Ziel haben wir übrigens erreicht: das Thema Haustier lag eine Weile auf Eis.