Kinder brauchen Freunde, keine Frage. Aber brauchen sie auch Freundebücher? Und sind die besser als das gute alte Poesiealbum? Unser Kolumnist Matthias Hohnecker hat da so seine Zweifel.

Stuttgart - Früher, in meiner Jugend, da war alles besser. Da rauschte nicht nur das Bächlein, da rauschte auch das UKW-Radio. Immer. Also immer auch bei den richtigen, also falschen Liedern („Words“ von F. R. David, „Bright Eyes“ von Art Garfunkel, „Woman“ von John Lennon). Heute kommt die Kindermusik in CD-Qualität aus dem Digitalradio. Und man kann via Radiotext auch noch lesen, wer den Dumpfbackensound verbrochen hat (Jason Derulo, Taio Cruz, Tote Hosen). Und früher, da schrieb man auch noch ins Poesiealbum. Oder wie Tochter E. sagt: ins Pösialbum. Tochter E. nimmt in der Schule gerade die Umlaute durch und weiß neuerdings, dass ein „oe“ ein „ö“ ist.

 

Man schrieb als Pöt ins Pösialbum, wenn man nicht gerade in der Pöbene mit Nömi und Nöl Urlaub machte, seine Klönte vermisste und darüber sinnierte, was wohl eine Graünte ist. Heute schreibt man als Kind nicht mehr ins Pösialbum. Man schreibt ins Freundebuch. Ins „Doggy Love Freundebuch“, ins „The Frog-Brothers Freundebuch“, „Prinzessin Lillifee Freundebuch“, „Pippi Freundebuch“, „Disney Cars Kindergartenfreundebuch“, „Top Model Freundebuch“, „Meine olchigen Freunde Freundebuch“ oder oder oder. Und wenn man schon ein bisschen älter ist: ins „Mein Ex-Freundebuch“.

„Ja/Nein/Geheim“

Freundebücher sind im Vergleich mit dem Pösialbum das, was die Pöbene verglichen mit der Poebene ist: ein Witz. Vieles ist vorformuliert, manchmal muss man die Antworten nur noch ankreuzen. „Schon mal Popel gegessen? Ja/Nein/Geheim“. „Schon mal in Hundescheiße getreten? Ja/Nein/Geheim“. Und man kriegt Fragen gestellt im Freundebuch. Etwa: „Davon habe ich schon mal gekotzt?“ Ich habe niemanden gefunden, der darauf mit „von Freundebüchern“ geantwortet hätte.

Gut, normalerweise wird man in Freundebüchern andere Sachen gefragt. Beispiel: „Was ich einmal werden möchte?“ Antworten (im Original): Sengerin, Lererin, Tihrferckeuferin. Oder man muss den Satzanfang „Am liebsten spiele ich“ ergänzen. Und wer dann „die beleidigte Leberwurst“ schreibt, wird vom Freundebuchbesitzerkind schief angeguckt. Genauso, wenn man hinter „Lieblingsfach“ nicht MNK, GWG, KTW und ITG schreibt oder Bierologie und Hektoliteratur, sondern: Handschuhfach. Auch, wer als Lieblingsfarbe „Kartoffelsalatgelb an Rostbratenbraun“ angibt, macht sich keine Freundebuchfreunde.

Wer wie ich ein Pösialbumfreund ist, wird sowieso kein Freundebuchfreund. Natürlich, auch in Pösialben, gerne in Leinen gebunden und mit Prilblumenbäbbern ausstaffiert, standen Sätze, die man locker als Antwort auf „davon habe ich schon mal gekotzt“ geben könnte. Beispiel: „In der Schule und im Leben, sollte man sein Bestes geben. Denn nur, wer sein Bestes gibt, ist bei jedermann beliebt.“ Aber es gibt auch Sätze fürs Leben. Diesen hier von 1981 (im Pösialbum der nicht mit mir verheirateten Mutter meiner Freundebuchkinder E. und P.): „Liebe Sabine sei so schlau, werde niemals Ehefrau. Vor der Ehe pflückst Du Rosen, in der Ehe stopfst Du Hosen!“ Darauf sage ich nur: „Unsere Freundschaft endet nicht, bis der Mops Französisch spricht.“