In Pakistan gibt es bei Fernsehshows Babys zu gewinnen. In Deutschland entwickeln sie sich zu Statussymbolen, deren Mütter es sich leisten können, daheim zu bleiben, hat unsere Kolumnistin Ulla Hanselmann beobachtet.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - „Ein Baby als Hauptgewinn“ lautete vor Kurzem eine „Spiegel-Online“-Schlagzeile. Eine Mutter zieht das sofort in die Nachricht rein. Was sie zu lesen bekommt, lässt ihr die Haare zu Berge stehen: In Pakistan wurde jüngst bei einer Fernsehshow – eine pakistanische Variante von der „Der Preis ist heiß“ – den Gewinnern ein Baby als Siegtrophäe überreicht. Ein kleines Mädchen, im roten Strampler, Fatima soll es heißen.

 

Es war nicht das erste Mal, war zudem zu lesen, dass ein Menschenkind als Prämie ausgelobt worden sei; ein Junge solle in den kommenden Tagen folgen. Das Gewinner-Ehepaar war überglücklich, angeblich hatte es jahrelang vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen.

Die verschenkten Säuglinge kommen von einer Fürsorge-Organisation, die mit dieser Aktion auf einen Missstand hinweisen will. Sie entdecke bis zu 15 ausgesetzte Babys pro Monat auf den Straßen, vor allem Mädchen, weil die Eltern die Mitgift, die bei der Heirat der Tochter fällig wird, nicht bezahlen können.

In Pakistan sind Babys also wertloser Müll, den man in eine Abfalltonne wirft. Der Moderator der Show versteht die Aufregung um den menschlichen Hauptgewinn deshalb auch nicht, er wertet die Preisauswahl als „Symbol von Frieden und Liebe“.

Hierzulande sind Kinder das größte Gut, das die Gesellschaft hat; zumindest wird das gern in Sonntagsreden behauptet, mit den Taten, die solchen Worten in der Familien- und Bildungspolitik folgen sollten, ist es dann so eine Sache. Tatsache ist, dass die Geburtenrate inzwischen so niedrig ist, dass Kinder in der akademisch gebildeten Mittelschicht zum Statussymbol avanciert sind. Wer früher mehr als drei Kinder hatte, galt schon beinahe als „asozial“. Heute ist es so: je mehr Kinder, umso größer der Wohlstand, umso höher der erreichte Glücks- und Selbstverwirklichungsgrad.

Statt „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, wie in den Neunzigern in der Sparkassen-Werbung, heißt es nun: „Meine Kinder, mein E-Bike, mein Weinberg“. Interessant ist, dass Feministinnen einst dafür gekämpft haben, dass Frauen die Freiheit haben, sich über Rollenzwänge hinwegzusetzen, um Selbstständigkeit, materielle Unabhängigkeit und Selbsterfüllung zu erlangen. Inzwischen nutzen junge, gut ausgebildete Frauen von gut verdienenden Männern diese Freiheit immer öfter auf ihre Weise: Sie bekommen Kinder, gerne drei oder vier, und verzichten auf jede Erwerbsarbeit. „Uns geht es gut, ich muss nicht arbeiten“, sagen diese Frauen dann, und es ist keineswegs so, dass wir das nicht respektieren würden. Sie kümmern sich mit Hingabe und hoher Professionalität um die Organisation des Haushalts und den Bildungserfolg ihres Nachwuchses sowie dessen bestmögliche Persönlichkeitsentfaltung. Vielleicht engagieren sie sich noch ehrenamtlich in der Kirchengemeinde oder bei einem Verein, ansonsten machen sie den Garten schön. Kinder, Küche, Kirche also wieder. So besehen, ist es dann hier doch ein bisschen wie im fernen Pakistan bei der TV-Show, bei der Kinder der Hauptgewinn sind.