Eltern wünschen sich, die Sicherheit des Kindes zu gewährleisten. Das ist normal. Aber wann wird dieser Wunsch paranoid? Das Testosteron entscheidet, hat Dieter Fuchs sich von einer US-Studie belehren lassen.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Stuttgart - Ja, die Amis, man kennt sie. Aber so einfach ist es nicht. Neulich wurde in den Staaten ein Kindertopf, also ein Kleinst-WC, verboten, der so hoch gebaut war, dass man in der Wandfläche tropfenförmige Aussparungen platzieren konnte. Einmal hineingepresst, kann das Kleinkind seine Beine daraus nur noch sehr umständlich herausziehen. Zusätzlich wird es durch einen Bauchgurt im Topf fixiert. Es kann also nicht mehr vom Topf herunterfallen, allerdings mitsamt dem Topf umkippen, ohne die Möglichkeit, sich artgerecht abzufangen, was zu schweren Schädelverletzungen führen könnte.

 

Eindeutig überzogenes Sicherheitsdenken. Aber wie viel Sicherheit ist zu viel? Schwieriges Thema, schon innerfamiliär, und dann erst gesamtgesellschaftlich. Das beginnt schon bei der Frage: Muss das Kind eine Mütze aufsetzen (Ohrenschmerzen)? Darf es auf dem Bett herumhüpfen, alleine rutschen, seinen Kopf in die Waschmaschine stecken, selbst an der Straße entlanglaufen? Reichen normale Karotten oder muss es bio sein? Ziegen- oder Kuhmilch? All das kann den Körper eines Kindes beeinträchtigen – von einer Beschneidung ganz abgesehen.

Andererseits: alles, was das Kind selbstständig lernt, schützt es, und sei es die Koordinationsfähigkeit, sich beim Runterfallen vom Topf nicht die Hand zu brechen. Alles, was es an Nahrung verträgt, macht ihm das Leben leichter und genussreicher. Alles, was seine Neugier befriedigt, bereichert es. Also entscheidet man situativ – das geht, das nicht, das manchmal. Von wegen konsequente Pädagogik.

Und dann kommen auch noch die Hormone dazu. Wer als Vater zusammen mit seinem Kind in einem Bett schläft, senkt damit seinen Testosteronspiegel, sagt eine neue US-Studie. Und damit sinkt die Risikobereitschaft bei erzieherischen Entscheidungen. Na ja, die Amis – aber ich schweife ab.

Was würde unser Sohn zum Thema Risikoabwägung sagen? Er würde für ein freies und wildes Leben plädieren, ganz im Hier und Jetzt. Da bin ich mir relativ sicher. No risk, no fun. Er ist ein Rock ’n’ Roller, nein, er ist ein Feuerwehrmann. Wir sind nicht schuld daran. Er hat auch Puppen, aber Autos mit Blaulicht sind unschlagbar. Sein erstes Wort war tatüüüü.

Neulich war am Kleinen Schlossplatz in Stuttgart Feueralarm ausgelöst worden. Ein Löschzug stand quer in der Fußgängerzone. Experten suchten im Wittwer-Bau nach der Ursache von Brandgeruch. Die Stimmung draußen war entspannt, nur unser Sohn hyperventilierte. Jedes blinkende Blaulicht löste Schreie der Entzückung aus. Jeder Schlauch und jede Radkappe mussten betastet werden. Nicht nur er war fasziniert. Binnen Minuten bildete sich um einen Feuerwehrmann eine Traube von Kindern, die ihn ausfragten und anfassen wollten. Und der junge Mann ließ es geduldig, ja lächelnd über sich ergehen.

Kinderfeuerwehrsprecher – vielleicht wäre das der ideale Beruf für unseren Stöpsel. Ein Hauch Gefahr, Staatsdienst und vollumfänglich kompatibel mit den Anforderungen des modernen Männerbildes. Was für ein Plan!