Sind Söhne angenehmer oder Töchter? Da gehen die Meinungen schon vor der Geburt auseinander. Doch irgendwann widerlegt die Wirklichkeit jedes Klischee. Zum Beispiel das von den kuschelnden Jungs, die viel unkomplizierter seien als Mädchen, hat Ulla Hanselmann beobachtet.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Junge oder Mädchen? Während Schwangere über dieser Frage nächtelang grübeln, hat das Leben längst eine Entscheidung getroffen. „Hauptsache gesund“, schreiben Omas, Tanten und Freundinnen den werdenden Müttern hinter die Ohren. Fünf Minuten später lassen sie dann Sätze fallen wie: „Jungs sind einfacher, irgendwie pflegeleichter. Und die kuscheln auch viel länger.“ Und: „Mädchen sind Jungs in der Entwicklung immer ein, zwei Jahre voraus.“ Die werdende Mutter rauft sich die Haare und grübelt weiter.

 

Wenn das Kind dann da – und gesund – ist, ist man mit dem glücklich, was die Natur frei Haus und ohne Retourschein geliefert hat. Ist es ein Junge, wirft die Mutter einen letzten wehmütigen Blick auf die süßen Kleidchen und die herzigen Blümchenkissen im Kinderkaufhaus, und begeistert sich fortan für Baggermodelle und die Kombinationsvielfalt der Farbe Olive, derweil der Vater schon mal die Fußballkarriere plant. Ist es ein Mädchen, atmen die Eltern ebenfalls auf: Die Kleine wird später keinen Ärger machen, mit Prügeleien auf dem Schulhof oder halsbrecherischen Kletteraktionen. Bis die Wirklichkeit das Klischee widerlegt, und das tut sie garantiert, ist es ja noch eine Weile hin.

Mütter von Jungs fühlen sich privilegiert

Glücklich schätzen können sich Eltern, die nur mit einem Geschlecht von Mutter Natur bedient worden sind, auch wenn Eltern das womöglich anders sehen und die Reproduktion so lange fortsetzen, bis die drei Brüder endlich ein Schwesterchen bekommen haben. Oder auch nicht. Dann sind es halt vier Buben. Ist es nicht auffallend, dass viele Viel-Kind-Familien nur mit Töchtern gesegnet sind? Oder nur mit Söhnen? Achten Sie mal drauf! Im Grunde ist das aber super praktisch: Wer sich auf ein Geschlecht spezialisiert, muss immer nur die halbe Kinderklamottenabteilung durchwühlen, kann in den Spielzeugkatalogen die Hello-Kitty- beziehungsweise Star-Wars-Seiten überblättern und muss sich keine typischen Bruder-Schwester-Stänkereien anhören. Das spart Zeit und Nerven.

Obwohl sich objektiv die Vor- und Nachteile jeden Geschlechts exakt die Waage halten, fühlen sich Mütter von Jungs privilegiert. Völlig zu Recht. Irgendwo stand mal, dass starke Frauen eher Söhne gebären. Jedenfalls machen Stammhalter im Alltag einfach weniger Probleme. Das fängt schon beim Anziehen an. Buben sind da ja wirklich so ungemein pflegeleicht. Keine stundenlangen Diskussionen vor dem Kleiderschrank. die ziehen einfach an, was man ihnen herauslegt.

Jungs kuscheln länger? Was für ein Nonsens

Neulich beim Tischtennistraining, das der achtjährige Knabe neuerdings besucht: „Was soll ich mit diesem Trikot? Das ist ja ein Fußballtrikot! Hallo? Wie sieht das denn aus? Das geht ja gar nicht!“ Tränen, Fußstampfen, Gewaltandrohung. Das schöne Fischerhemd, das Omi von der Ostsee mitgebracht hat, hat er in die hinterste Schrankecke gestopft. Überhaupt Hemden: „Mega uncool.“ Das Bad ist in letzter Zeit stundenlang blockiert, ständig müssen wir zum Friseur rennen. Und neulich hat sich der Gute beim Gutenachtkuss einfach weggedreht und „Igitt“ gesagt. Jungs kuscheln länger? Was für ein Nonsens!