Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. In dieser Woche nimmt der Lokalpatriotismus schöne Formen an. Und die Sindelfinger Stadträte finden einen Ausweg aus der Erddeponie.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Autofahrer haben entweder zu viel Humor oder gar keinen. Diejenigen, die zur zweiten Kategorie zählen, kleben sich – wenn der Lack überhaupt befleckt werden darf – die Umrisse des Bodensees aufs Auto. Die Witzbolde lassen es die Welt hingegen wissen, wie witzig sie sind. „Frauen fahren besser …. mit dem Bus!“, gehört zu den Top-Ten-Botschaften, die sich solche Typen gerne aufs Heck kleben. „Und wo lassen Sie denken?“, ist eine beliebte Alternative. Was sich Waldenbuch mit seinem neuesten Aufkleber gedacht hat, lässt sich auf den ersten Blick nicht so leicht entziffern. „I took a look at Waldenbuch“, lautet der Spruch auf dem neuen Aufkleber. Denn nur diejenigen, die Waldenbuch wie Waldenbook aussprechen, können sich einen Reim darauf machen.

 

Die Kommunen werden immer kreativer

Auf neue Stadtführungen in Englisch soll der Sticker aufmerksam machen. Um ihre schönsten Seiten zu betonen, werden Kommunen immer kreativer. Wie Waldenbuch denkt auch Rutesheim nun über den US-amerikanischen Ansatz nach. Statt Bumpersticker (Stoßstangen-Aufkleber) soll in der Stadt Perouse das lokale Gemüse groß herauskommen. Das erinnert stark an die Stadt Morton in Illinois, die sich kurzerhand zur Kürbishauptstadt der Welt ernannt hat. In Perouse soll auf einem neuen Kreisel nun ein vier Meter hoher Kohlkopf allen Durchreisenden klar machen, wer hier das Sagen hat. Halt! Nein! Nur, welches Gemüse hier traditionell angebaut wird. Aus Kunststoff müsste das Kunstwerk angefertigt werden, damit es keine Unfallgefahr darstellt. Um nicht zu provinziell zu wirken, ist an der Stelle außerdem geplant, den lateinischen Wahlspruch der Waldenser zu verewigen: „Lux lucet in tenebris“, Das Licht leuchtet in der Dunkelheit. Er würde sich übrigens auch sehr gut als Autoaufkleber eignen für alle diejenigen Fahrer, die bislang zu keiner Kategorie gehören.

„Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, heißt hingegen der Leitspruch der Sindelfinger Stadtverwaltung beim Thema Radschnellweg. Schließlich übernimmt das Land die meisten Kosten für die neue Verbindung durch den Wald nach Stuttgart. Nur für einen klitzekleinen Lückenschluss von 170 Metern hätte der Gemeinderat 300 000 Euro genehmigen sollen. Das Geld hat er sich erst einmal gespart. Das liegt daran, dass ein Teil der Kommunalpolitiker Bammel vor der Verbindung hat: „Dürfen da auch langsame Radler fahren?“, fragte Heinz Bix.

Schnellradweg statt Erddeponie

Seine Angst vor Rasern hätte der SPD-Stadtrat aber flott abgelegt, wenn dadurch ein anderes Übel, das auf der Sindelfinger Seele lastet, aus dem Weg geräumt würde: „Stirbt durch die Zustimmung zum Radschnellweg der Plan für die Erddeponie?“, lautete seine zweite Frage. Eine Antwort darauf gab es nicht, nur einen Hoffnungsschimmer am Horizont: „Uns hat es auch gewundert, dass aus dem gleichen Haus Vorschläge kommen, die räumlich übereinander liegen“, sagte ein Sindelfinger Stadtplaner über die Konzepte aus dem Landratsamt.

Vermutlich geht es in der Kreisbehörde zu wie im Steinenbronner Rathaus. Eigentlich weiß ja jeder, dass Beamtensprüche nichts als unwahre Unterstellungen sind (wie Blondinen-Witze). Um ein Beispiel zu nennen: „Was tut ein Beamter, der in der Nase bohrt? Er holt das Letzte aus sich heraus.“ Aber in Steinenbronn muss nun wegen mangelnden Einsatzes womöglich ein Aufzug umgerüstet werden. Das vor sechs Jahren eingebaute Modell darf nämlich nur in professioneller Begleitung benutzt werden, weil es keine Tür hat, die sich von innen schließt. Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte müssen also im Rathaus erst einmal jemanden finden, der sie ins nächste Stockwerk und wieder hinunter bringt. Das scheint mühsam zu sein: Ein Gemeinderat forderte jetzt, wenigstens eine Klingel am Fahrstuhl anzubringen. „Sonst sucht man sich ja im Rathaus dumm und dämlich“, sagte Dieter Menzel in der Sitzung. Anstatt zu widersprechen, versprach der Bürgermeister Johann Singer, nach Lösungen statt nach dem dafür zuständigen Personal zu suchen.