Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche herrscht eine elektrisierende Stimmung und wenig Fairness. Obwohl es die jetzt aus dem Automaten gibt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Für Wellness fahren die meisten Menschen in den Urlaub. Paul Nemeth reicht eine Regionalkonferenz. Als „wahren Jungbrunnen“ für seine Partei bezeichnete der CDU-Landtagsabgeordnete die Veranstaltung in Böblingen. Damit meinte er aber nicht die Kandidatur von Jens Spahn (38) für den Parteivorsitz. Für Friedrich Merz (62) seien die Zustimmungswerte am höchsten gewesen, berichtete er der Lokalzeitung hinterher. Die Stimmung in der Kongresshalle fand er „geradezu elektrisierend“. Und dermaßen unter Strom stehend, musste er seine Energie irgendwo ablassen. „Die SPD blickt neidisch in unsere Richtung“, suchte er sich den denkbar schwächsten Gegner aus.

 

Wer träumt denn nicht von einer Quelle der ewigen Jugend, auch wenn sie in Form von Friedrich Merz nur zwei Jahre nach Angela Merkel geboren ist? Bei Zustimmungswerten von 15 Prozent, wo die Sozialdemokraten laut einer Emnid-Umfrage am 1. Dezember lagen, klammert man sich mindestens so sehr an jede Wunderkur wie die CDU mit ihren 28 Prozent.

Fairness aus dem Automaten

Zum Glück gibt es jetzt Fairness aus dem Automaten. Er kommt – anders als Paul Nemeth mit seinen 35 Jahren Mitgliedschaft in der CDU – ganz ohne Strom und Kühlung aus. Böblingens erster Fair-o-mat wurde am Max-Planck-Gymnasium aufgestellt. Nur fair gehandelte Produkte wie Schokoriegel mit Quinoa können sich die Schüler daraus ziehen. Das ist politisch absolut korrekt, mit solchen Inhalten könnte auch die SPD wieder an Gewicht zulegen.

Böblingens grüner Oberbürgermeister träumt nun davon, das Gerät an mehreren Standorten zum Einsatz zu bringen. Damit könnte das Klima in der Stadt nachhaltig verbessert werden, denn der Fair-o-mat stößt kein Kohlendioxid aus. Die Stadt ist auch schon seit fünf Jahren „Fair-Trade-Town“, was auf CDU-Regionalkonferenzen eher weniger zu spüren ist. An der Schule wird die Sache ernst genommen: Dort müssen die Lehrer fair gehandelten Kaffee trinken und die Schüler im Unterricht faire Arbeits- und Produktionsbedingungen lernen. „Er ist umweltschonend und nachhaltig angelegt“, schwärmte Stefan Belz vom Fair-o-maten. „Damit trägt er seine Botschaft nicht nur im Namen, sondern verkörpert sie vielmehr selbst.“ Sollten die Schüler irgendwann genug von Quinoa Crisp haben, was durchaus im Bereich des Vorstellbaren liegt, lässt sich das von der städtischen Baugesellschaft gespendete Gebrauchtgerät wieder komplett zerlegen und zu 99 Prozent recyceln. „Vorbildlich!“, findet der Rathauschef. Dass sich die Dinge einfach so ins Nichts auflösen, ist momentan höchstens bei den Prozenten der SPD denkbar.

Herrenberg ist besonders smart

Dennoch hat im Wettbewerb um den Titel Smart Rathaus momentan Herrenberg die Nase vorn. Böblingen versucht zwar, im Rathaus Strom und Energie dafür einzusparen, die in der Kongresshalle von der CDU wieder verpulvert werden. Die Mitmachstadt hat mit ihrem LoRaWan dagegen „weit über Herrenberg hinaus für Furore gesorgt“, wie sie zufrieden berichtet. Mit ihrem weitreichenden Netzwerk hat sie im Oktober zunächst zehn von 80 städtischen Mülleimern vernetzt. Darüber landen die Daten zu den aktuellen Füllständen direkt bei den Technischen Diensten, die sich Kontrollfahrten mit der Kehrmaschine seither sparen können. „Pünktlich zur kalten Jahreszeit wurde nun auch der Winterdienst auf digitale Beine gestellt“, teilt die Verwaltung mit. Straßensensoren melden Temperatur, Feuchtigkeit und den Streusalzgehalt auf der Straßenoberfläche, eine Wetterstation gibt ebenfalls ihren Senf dazu. „Und somit entsteht ein digitales System, das künftig zuverlässig die Mitarbeiter zum Winterdienst weckt“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Eine solche Formulierung legt natürlich nahe, dass die Herren und Damen bisher öfter verschlafen haben. Von diesem Phänomen scheinen neben den Mülleimern und dem Winterdienst noch andere Bereiche betroffen zu sein. Ähnlich elektrisierende Vorschläge wurden von der Bevölkerung eingereicht: Ein Herrenberger wünscht sich Sensoren, die melden, so bald eine Lampe ausfällt, ein anderer regte den Einsatz des Netzwerks im Bereich Bewässerung des städtischen Grüns an. Das klingt nach kaputten Lampen und vertrockneten Blumen. Die Digitalisierung macht also der Verwaltung Beine.