Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche nimmt fast alles schon wieder seinen gewohnten Gang – zumindest bei der CDU und auf den Straßen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Bewohner im Kreis Böblingen können beruhigt sein. Auch wenn das Coronavirus mehr oder weniger alles auf den Kopf gestellt hat – in nicht allzu langer Zeit wird wieder alles beim Alten sein. Die Zeichen dafür sind eindeutig. Zum Beispiel bei der CDU. Dort bleiben die Männer einmal mehr bei der Verteilung von wichtigen Posten unter sich. Für die Nachfolge vom Landtagsabgeordneten Paul Nemeth hatten sich vier Kandidaten beworben und darunter war tatsächlich eine Frau. Doch Alissa Geisinger hat sich nun vorzeitig aus dem Rennen verabschiedet und die Männer können den Posten unter sich ausmachen.

 

Frauen in Führungspositionen: eine Glaubensfrage?

Dabei hätte die 28 Jahre alte promovierte Mathematikerin möglicherweise neue Wählerschichten für die Christdemokraten erschließen können. Immerhin hat Paul Nemeth bei der Landtagswahl 2016 sein Direktmandat an Thekla Walker von den Grünen verloren. Berufliche Gründe gibt sie selbst für den Rückzug nach sechs Monaten innerparteilichem Wahlkampf an. Die Lokalzeitung spekuliert über „atmosphärische Differenzen“ und Lagerbildung. Angeblich ging es um Glaubensfragen, die nicht näher ausgeführt werden. Aber man kann sich lebhaft vorstellen, dass jemand, der beispielsweise an Gleichberechtigung glaubt, im Kreisverband der CDU eher weniger Jünger hinter sich versammeln kann.

Auch eine weitere, geradezu revolutionäre Entwicklung wird nicht von langer Dauer sein: Die Luft an der Oberen Poststraße in Böblingen ist nach den Maßstäben der Europäischen Union wieder sauber. Schon im März, der nur zur Hälfte unter Corona-Lockdown war, ist die Stickoxid-Belastung um drei Mikrogramm unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm gesunken. Aber diese Art von Stillstand ist längst Geschichte und wurde von einer altbekannten Form des Nicht-Vorwärtskommens im Kreis Böblingen abgelöst: Es herrscht wieder Stau! Und während vielleicht beim ein oder anderen Autofahrer nostalgische Gefühle in der ungewohnt gewohnten Menschenansammlung aufkamen, sorgten die Böblinger Verkehrsprobleme schnell wieder für Aufregung.

Schikane und Tricksereien von der Verwaltung

Wegen der vielen Baustellen auf der Herrenberger Straße und einem neuen Fahrradweg in der Calwer Straße, der sage und schreibe eine ganze Autospur in Anspruch nimmt, fühlen sich einige Einzelhändler schikaniert. Die Rathausspitze wolle die Erreichbarkeit der Betriebe ganz bewusst und nachhaltig stören und würde mit „Tricksereien“ und dem „Lancieren von Halbwahrheiten“ viele Existenzen in den Innenstadt-Geschäften bedrohen, schrieben sie in einem Protestbrief, der jetzt im Prinzip gegen den Grünen Oberbürgermeister Stefan Belz gerichtet ist, aber so ähnlich vor ein paar Jahren schon an seinen CDU-Vorgänger Wolfgang Lützner ging. „Was Corona und der Online-Handel nicht hinbekommen, schafft die Stadtverwaltung“, heißt es darin.

Auf ein paar Veränderungen müssen sich die Kreisbewohner allerdings durchaus gefasst machen. „Kaufen FußgängerInnen und RadfahrerInnen nicht ein?“, fragen jetzt Böblinger Fahrrad- und Umweltverbände in einem weiteren Brief. Viele der Unterzeichner würden bewusst lokal einkaufen und würden daher von den Einzelhändlern erwarten, dass sie sich für „Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und eine menschengerecht gestaltete Stadt mit hoher Lebensqualität stark machten“ – anstatt nur für Straßen und ebenerdige Parkplätze. Das ist natürlich etwas viel auf einmal verlangt und könnte zu ähnlichen Reaktionen führen, wie sie Frauen bei der CDU auslösen. Mit atmosphärischen Differenzen und Lagerbildung lässt sich vielleicht Politik machen, jedoch kein gutes Geschäft.