Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche verordnet sich die CDU im Land Aufbruchstimmung. Der Gärtringer Gemeinderat verzweifelt dagegen am Bürger.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Neujahrsempfänge haben bei der CDU einen eindeutigen Zweck: Es geht darum, sich die ungewisse Zukunft gut zu reden. „Echter Aufbruch – mit Schwung und Haltung zur Landtagswahl“ hieß die Rede von Susanne Eisenmann, die sie am Sonntag in Herrenberg hielt. Misslicherweise hat sie darin nicht erklärt, was ein unechter Aufbruch ist. Aber die Gärtringer Parteifreunde können da vielleicht weiterhelfen. Sie hatten Michael Bauer eingeladen, den Standortverantwortlichen für das Sindelfinger Mercedes-Benz-Werk. Sein Hinweis, „es gibt keinen besseren Antrieb als den Diesel“, erntete laut der Lokalzeitung viel Beifall.

 

Susanne Eisenmann mag auch nicht wirklich in eine neue Ära aufbrechen, nur halt ins Stuttgarter Staatsministerium. An erfolgversprechende Parolen hielt sie sich sicherheitshalber: Dass Baden-Württemberg ein wirtschaftsstarkes Land mit vielen klugen Köpfen und Ideen ist, sagte die Kultusministerin. Und von denen erwartet sie die Lösung des Strukturwandels in der Arbeitswelt und des Klimawandelproblems – mit Kreativität und Freiräumen statt mit Verboten. „Es kommen große Herausforderungen auf uns zu, aber lassen Sie uns diese mit Optimismus und Freude angehen“, sagte sie mit Schwung.

Auf Gedeih und Verderb am Verbrenner

In Gärtringen drückte Michael Bauer etwas auf die Bremse. „Wir hängen auf Gedeih und Verderb von der Verbrenner-Limousine ab“, räumte der Daimler-Vertreter ein. Aber er erwähnte auch, dass im Werk ein Elektromodell produziert werden soll. Und vielleicht nicht sehr kreativ, jedoch mit wirtschaftsstarker Haltung forderte er bei den Politikern die notwendigen Freiräume ein: „Wenn Sindelfingen stabil läuft, haben wir die Beschäftigung in der Region erhalten.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz sprang ihm sofort bei, indem er seine „feste Überzeugung“ äußerte, „dass das Auto eine große Zukunft hat“.

Dass zu viel Aufbruch nicht wünschenswert ist, hat sich schließlich bei einem weiteren Neujahrsempfang gezeigt: Dem Herrenberger Oberbürgermeister sind die aktionistischen Einwohner seiner Mitmachstadt zu weit gegangen. Er wollte sich lieber nicht ausmalen, wie die Zukunft aussieht, und blickte stattdessen zurück – auf die Anarchie im Alzental und den Bürgerentscheid gegen ein neues Park- und Geschäftshaus. Es hätte verboten gehört, wie sich einige Bürger den Freiraum nahmen, heftig gegen die geänderte Verkehrsführung in dem Wohngebiet zu wettern. Auch wenn es sich sicher nicht um kluge Köpfe gehandelt hat, sie haben ihre Lieblingslösung erreicht: Alles bleibt beim Alten. Das gilt genauso für den abgelehnten Neubau.

Ein weißer beziehungsweise brauner Fleck

In Gäufelden wünscht sich die Kommunalpolitik wiederum mehr Beteiligung. „Muss man dem Bürger eigentlich alles abnehmen?“, fragte eine genervte Gemeinderätin kürzlich in einer Sitzung. Es ging um das Aufstellen von Hundekotstationen. Der Ort ist diesbezüglich ein weißer Fleck, wobei eine andere Farbe zu dem Thema besser passen würde. Bei seinem Wahlkampf sei er bei 2000 Haushalten gewesen, berichtet der Bürgermeister in der Sitzung, und in jedem zweiten sei das Thema angesprochen worden. Die Zustände in dem Ort will man sich also besser nicht vorstellen. Ein echter Aufbruch ist in diesem Fall nur wünschenswert.