Die Kandidatur zum DLV-Präsidenten passt in OB Jürgen Kessings Profil. Nur anderen passt es nicht.

Bietigheim-Bissingen - Faschingsmuffel atmen auf: endlich Aschermittwoch. An jene Feierwütige, die sich nun fragen, was sie verpasst haben: eine ganze Menge! Eine kleine Sensation war beispielsweise die Nachricht, dass der Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen, Jürgen Kessing (SPD), Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands DLV werden möchte. In erster Linie freut das natürlich Jürgen Kessing selbst. „Das mache ich gerne“, kommentierte er die Nachricht. „Ich möchte dem Sport, mit dem ich groß geworden bin und der mich sozialisiert hat, gerne etwas zurückgeben“, sagte der ehemalige Zehnkämpfer und Sprungtrainer, der heute als leidenschaftlicher Unterstützer des Sports in Bietigheim-Bissingen gilt.

 

Freuen dürfte sich auch der DLV, dessen bisheriger Präsident Clemens Prokop mit 59 Jahren kürzer treten möchte. Mit Jürgen Kessing konnte sich der DLV einen gefragten Mann sichern. Wir erinnern uns: Kessing war auch schon mal im Gespräch als Präsident des VfB Stuttgart. Und bei der Wahl des Oberbürgermeisters in Stuttgart hätte die SPD gerne ihn aufgestellt. Beide mussten letztlich ohne Kessing auskommen – mit der Folge, dass Stuttgart jetzt im Feinstaub erstickt und der VfB in der zweiten Liga kickt.

Manch Stadtrat war nicht erfreut über die Nachricht

Weniger erfreut über die Nachricht zeigten sich einige Stadträte. Er habe gedacht, er bekomme eine „Vollmeise“, ließ sich der CDU-Fraktionschef Thomas Wiesbauer in der ortsansässigen Zeitung zitieren. Und Georg Mehrle von der FDP kommentierte ironisch: Man habe sich Sorgen gemacht, dass die Bürde des Amtes sein Wohlbefinden beeinträchtigen könne. Es sei erfreulich, dass sich diese Sorge als unbegründet erwiesen habe.

Die Aufregung ist deswegen so groß, weil erst im vergangenen Jahr die Ämter im Rathaus neu verteilt wurden. Der Bürgermeister Joachim Kölz übernahm zum Jahreswechsel das Baurechtsamt und das Stadtentwicklungsamt als Zuständigkeit von Kessing. Das habe aber nichts mit der DLV-Kandidatur zu tun, Kölz’ Vorgänger habe diese Aufgaben auch schon innegehabt, heißt es im Rathaus. Im April stellt sich Kölz zur Wiederwahl als Erster Bürgermeister, kritische Worte seinerseits dürften nicht zu erwarten sein.

Während sich manch Stadtrat fragt, was Kessing noch macht (eine ganze Menge, dazu später), muss die Frage erlaubt sein, wie viel Zeit das DLV-Ehrenamt benötigt. Kessing geht davon aus, dass es die Wochenenden betreffen wird. Beim DLV selbst heißt es auf Nachfrage, dass der Zeitaufwand „enorm hoch“ sei. Zu sagen, das DLV-Amt werde sich nicht auf die Arbeit als OB auswirken, klingt wie die Aussage eines Parteigenossen, er wolle Außenminister werden, um mehr Zeit für seine Familie zu haben.

„Einer für alle“ als Slogan 2012

Dass es dem talentierten Herrn Kessing mit zwei Ämtern weniger bestimmt nicht langweilig wird, zeigt schon eine Auflistung seiner anderen (Ehren-)Ämter: Vorsitz der Aufsichtsräte der Bietigheimer Wohnbau, der Stadtwerke, der Verwaltungsgemeinschaft mit Ingersheim und Tamm, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken Ludwigsburg Bietigheim gGmbH und Mitglied im Verwaltungsrat der Kreissparkasse Ludwigsburg, um nur einige zu nennen.

„Einer für alle“, so trat Kessing 2012 zu seiner Wiederwahl an. Man kann es heute noch lesen, wenn man auf seine Homepage geht. Mit einem ganz ähnlichen Slogan sollte Joachim Kölz sich zur Wiederwahl stellen: „Einer für alles.“