Am Samstag wird bei den olympischen Spielen gegangen: Es sieht komisch aus, hat aber Tradition. Einige Anmerkungen zum ersten ernst zu nehmenden Geher, Robert Barclay Alardice (1779-1854).

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Am Samstag wird gegangen. Erst gehen die Männer, fünfzig Kilometer, dann die Frauen, zwanzig Kilometer. Es ist komisch mit dem Gehen.

 

„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft“, hat der große Langläufer Emil Zatopek gesagt, was immer noch schön und einleuchtend klingt. Allerdings konnte Zatopek kaum voraussehen, dass es heutzutage manchmal schon so ausschaut, als flöge der Mensch, wenn er läuft. Das nun dürfen die Geher ja gerade nicht. Sie müssen am Boden bleiben, zumindest mit einem Fuß, und dann muss das Bein auch noch gestreckt sein – und zwar ganz. Die meisten Menschen, die Gehern zugucken, wenn sie ihnen überhaupt zugucken, sagen „Respekt“, aber schön sei die Sache dann doch nicht.

Hat aber Tradition. Und wer ging zuerst und richtig gegen die Uhr, wie man so sagt? Bitte: ein Engländer.

Der erste richtige Geher war ein Schotte

Für das originale „match against time“ – die Stoppuhr wird erst 1731 erfunden – brauchte John Lepton of Kepwick, Reiter am Hof Jakob I., noch ein Pferd. Fünfmal werde er die Strecke London-York hintereinander zurücklegen, behauptete Lepton. Und wettete drauf, selbstverständlich. Keiner glaubte ihm. Vom 20. bis 24. Mai 1606 wurde geritten. Und das Erstaunliche ist: Nicht nur Lepton überlebte, sondern auch sein Pferd. An ihren besten Tagen brauchten die beiden fünfzehn Stunden für die zweihundert Meilen. Natürlich ist die ganze Aktion weitgehend sinnfrei, gleichzeitig aber der „Rekord an sich“ geboren.

Robert Barclay Alardice (1779-1854), schottischer Adliger und besser bekannt unter dem Namen Captain Barclay, übertrug das Rekordverfahren auf sich selbst - und darf als der erste richtige Geher gelten, obwohl er eigentlich als Agrarwissenschaftler arbeitete. Beim Gehen verband Captain Barclay das Angenehme mit dem Nützlichen, wenn er beispielsweise im Jahr 1801 nicht nur 110 Meilen in 19 Stunden und 27 Minuten in einem sumpfigen Park zurücklegte, sondern auf dem Weg auch noch Moorhühner schoss, die er anschließend zur Stärkung zubereiten ließ.

Mit gestärktem Hemd, Uhrkette und Hut im Wettlauf gegen die Zeit

Barclay packte alsbald 100 Kilometer in zehn Stunden und 72 Meilen (116 Kilometer) zwischen Frühstück und Dinner, eine Zeitrechnung, die man vielleicht nie hätte aufgeben sollen. Er hatte keine flüssigen Energieriegel bei sich, trug gestärkte Hemden und eine Uhrkette und selbstredend einen Hut, den er zum Gruß lüftete, während er lief. Captain Barclay war, mit einem Wort, skurril, aber das ist in England wirklich noch nie ein ernsthafter Vorwurf ad personam gewesen.

Seine größte Leistung vollbrachte Barclay, als er versuchte, in 1000 aufeinander folgenden Stunden jeweils eine Meile zu gehen. Das war 1809, und Barclay hatte gewissermaßen eine Generalwette mit Hunderten von Leuten abgeschlossen, es war Fundraising der ersten Stunde, am Ende kam das Geld wohltätigen Zwecken zugute. Anfangs brauchte Captain Barclay an die 15 Minuten für die Meile, am Ende gegen 21. Da war er allerdings auch schon 16 Kilo leichter geworden. Später im Leben ließ er es langsamer angehen. Sein Tod allerdings war merkwürdig. Robert Barclay Alardice starb an einer Infektion, nachdem ihn – kein Witz - ein Pferd getreten hatte.