Fischstäbchen, Chicken-Nuggets, Pommes frittes – Kindermenüs in Restaurants sind oft ein Ernährungsdesaster. Warum unsere Kolumnistin ihren Kindern das ungesunde Essen trotzdem gönnt.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Stuttgart - Eine der tollsten Szenen in dem an tollen Szenen nicht armen Film „Man spricht deutsh“ (1988) von und mit Gerhard Polt ist jene im Restaurant: Am letzten Tag seines Italienurlaubs will sich das tiefbayerische Ehepaar Löffler was „Besonderes“ gönnen und bestellt zum dunklen Weißbier eine Posaidon-Platte, die aus all dem besteht, was das Tyrrhenischen Meer eben so (unfreiwillig) hergibt. Der dickliche Sohn mit dem tollen Namen Heinz-Rüdiger hingegen bekommt die obligatorischen Pommes („Pommfritz“) – sowie einen Teller gekochtes „Gmüs“ auf besonderen Wunsch der Mutter. Die Filmszene des großartigen Menschensezierers Gerhard Polt zeigt unter anderem, dass sich in Sachen Kindermenü seit den 80ern nicht wirklich viel geändert hat – und das gilt nicht nur für den Urlaub am Teutonengrill.

 

Wer sich hin und wieder traut, mit Kindern in der Öffentlichkeit zu essen, weiß: Das so genannte Kindermenü ist in sehr vielen Fällen ein totales Ernährungsdesaster. Und man fragt sich schon, warum sich auch gute Lokale in dieser Hinsicht offensichtlich an der großen Fastfoodkette mit ihren Happy Meals orientieren – und Eltern schon froh sein können, wenn sie zwischen all den Chicken-Nuggets und SchniPos (Schnitzel mit Pommes) Spätzle mit Soße, Nudeln mit Butter oder Pfannkuchen mit Apfelmus entdecken.

„Habt ihr Apfelschnitze dabei?“ – der Running Gag in der Väter-Gruppe

Was Eltern-Empirie schon lange ergeben hat, haben jetzt auch Forscher der Universität Heidelberg herausgefunden, die fast 2000 Kindergerichte auf Speisekarten untersucht haben. Zu viel Fett, Kalorien, rotes Fleisch und zu wenige Nährstoffe, das war ungefähr ihr Ergebnis.

Ich war am Anfang meines Elterndaseins recht dogmatisch in Sachen Ernährung. „Kein Zucker im ersten Lebensjahr“, „Jeden Tag fünf Portionen Obst oder Gemüse“, „Nur ungesüßte Getränke“ – Glaubenssätze, die wahrscheinlich viele Mütter kennen. (Väter sehen das erfahrungsgemäß etwas entspannter: In der Kindergarten-Väter-Fußball-Gruppe des Mannes ist der Satz „Ich hoffe, ihr habt Apfelschnitze dabei!“ eine Art Running Gag.)

Mittlerweile allerdings bin auch ich etwas lockerer geworden (wie in so vielen Dingen). Das musste ich auch, spätestens seit der Sohn Gemüse in gekochter Form, Saucen aller Art, Fleisch und Fisch ohne Panade und neuerdings sogar Eier als seine natürlichen Feinde entdeckt hat – und seine kleine Schwester sich das abguckt. Als kürzlich die Bloggerin Marlene Helene schrieb, sie habe mit dem Kochbuch „120 Rezepte, die jedes Kind mag“ gelernt, dass ihr Kind 120 mal hintereinander „Nein“ sagen könne, fühlte ich mich sehr verstanden.

Reis, Fleisch und Gemüse sind ja per se nichts Ekliges

Und damit bin ich auch schon beim Punkt. Nachdem sich meine reflexartige Mutter-mit-Luxusproblemen-Erregung über die Ergebnisse der Heidelberger Studie gelegt hatte, fragte ich mich nämlich, was die armen Restaurantbesitzer überhaupt anbieten könnten, um damit nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei den (Klein-)Kindern zu reüssieren. Der hippe Bio-Vietnamese bei uns im Stuttgarter Osten zum Beispiel bietet Kindergerichte an, die aus Reis, Fleisch und Gemüse bestehen, was per se ja nichts Ekliges ist. Trotzdem sind wir nicht die einzige Familie, die ich kenne, die das Restaurant mit zwei äußerst nöligen, weil hungrigen Kindern wieder verlassen hat – während der Mann und ich zwei Erwachsenen- UND zwei Kindergerichte gegessen hatten.

Klar, auch ich freue mich, wenn ein Lokal auf die Idee kommt, zum Kinderessen Rohkoststicks zu servieren, die meine Kinder tatsächlich mögen. Und wenn es eine unfrittierte Alternative gibt, die sie essen, bestelle ich die auch lieber. Auf der anderen Seite sind wir weit davon entfernt, oft ins Restaurant zu gehen – das würde ich nervlich gar nicht durchstehen –, sodass sich die Chicken-Nuggets-SchniPo-Häufigkeit in Grenzen hält.

Ich gönne meinen Kindern das ungesunde Essen

Und letztendlich ist es doch so: Man geht woanders Essen, um mal was anderes zu essen als zuhause, was „Besonderes“ im Polt’schen Sinne. Und für meine Kinder ist es eben was Besonderes, auch mal besonders ungesund zu essen. Ich gönne es ihnen. Und bin manchmal sogar ein kleines bisschen neidisch auf sie.

P.S. In „Man spricht deutsh“ kommt es am Ende, wie es bei Gerhard Polt eben kommen muss: Weil sie mit dem Posaidon-Fisch-Zeugs nix anfangen können, essen die Mama und der Papa dem Heinz-Rüdiger seine Pommes weg.

Lesen Sie hier mehr aus unserer Mutter-Kolumne

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Kinder, Kessel und mehr.