Für unsere Kolumnistin gab es nicht Langweiligeres, als sich ein Fußballspiel anzusehen. Bis der Sohn kürzlich in den Fußballverein eintrat.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Stuttgart - Als mein heute fast sechsjähriger Sohn noch ein Baby war, stellte ich mir manchmal vor, dass er vielleicht mal Balletttänzer werden würde. Dazu muss man vielleicht wissen, dass ich als Kind selbst gern Ballett getanzt hätte, was von meiner 68er-Mutter, die Tutus „affig“ fand, verhindert wurde. Denn eine Pina-Bausch-mäßige Tanztruppe, die für sie okay gewesen wäre, die gab es in unserer schwäbischen Kleinstadt halt nicht.

 

Ich träumte also diesen ebenso typischen wie gefährlichen Müttertraum, dass das Kind genau das mögen würde, was mir nicht möglich war (und außerdem hätte ich es einfach originell gefunden, wenn der Sohn ein eher untypisches Jungs-Hobby gewählt hätte). Spätestens als der Sohn drei Jahre alt war, hatte ich allerdings ausgeträumt. Denn ab diesem Zeitpunkt drehte sich bei ihm – und bei uns – alles nur noch um den Ball, genauer: um den Fußball.

An das Sommermärchen 2006 habe ich keine Erinnerungen

Buben und Fußball – schon klar, das ist seit jeher eine fast zwangsläufige Kombination. Umso mehr, seit man diesem Sport dank Rundumvermarktung und Turbo-Merchandising kaum mehr entkommt. Mein Problem damit ist halt: Ich interessiere mich für Fußball nicht die Bohne, und ich kann mir wirklich kaum etwas Langweiligeres vorstellen, als 90 Minuten lang Menschen zuzusehen, die versuchen, einen Ball in ein Tor zu schießen. Falls Sie mich zum Beispiel nach dem Sommermärchen 2006 fragen: Ich habe keinerlei Erinnerung mehr daran, außer an den Tag, an dem ich versehentlich in einem Autokorso stand.

Trotzdem habe ich mich bislang bemüht, der Leidenschaft des Kindes nicht im Weg zu stehen (man will es ja auch besser machen als die eigenen Eltern) – oder vielmehr: nicht allzu unbeholfen auf dem Platz. Also spiele ich mit ihm Fußball, während andere Kinder auf dem Spielplatz rutschen und schaukeln. Also kaufe ich Bücher, die Fußball erklären, und lerne etwas dabei. Also diskutiere ich im Urlaub (durch San Francisco schlendernd), ob nun Bayern oder der VfB besser ist und überlege mir meinen Lieblingsspieler, wobei ich bei Rudi Völler lande (den kenne ich zumindest noch). Und bei all dem bin ich schon ein bisschen neidisch auf den Mann, der nun im Gegensatz zu mir ein Kind hat, das seinen Traum lebt (er musste seine sicherlich wahnsinnig aussichtsreiche Fußballkarriere nämlich im Alter von acht Jahren beenden).

Kuchenbacken und Trikotwaschen

Nur eines hatte ich bislang zu verhindern versucht: Dass der Bub auch noch in einen Fußballverein geht. Denn Verein – das wusste ich von anderen geplagten Fußballeltern –, das bedeutet Training mehrmals die Woche, meist irgendwo am Rande der Stadt. Vor allem aber Turniere fast jedes Wochenende und damit einhergehendes Kuchenbacken, Trikotwaschen und Wurschtweckleverkaufen. Das wollte ich zumindest möglichst lange hinauszögern.

Was soll ich sagen: Ich habe es nur bis zu diesem Herbst geschafft. Nachdem sogar die Kinderturnlehrerin und die Kitaerzieher dazu rieten, geht der Sohn nun zum Bambini-Training.

Mein Dasein als Spielermutter ist also noch recht frisch. Aber ich kann schon sagen: Es fühlt sich gar nicht so schlecht an. Zum Training fährt meist der Mann und beim ersten Samstags-Spieltag half ich im Lebekäsweckenverkauf und fand es gar nicht so schlimm. Das Überraschendste aber ist: Im Vergleich zu einem Bundesligaspiel finde ich es überhaupt nicht langweilig, meinem Sohn beim Kicken zuzusehen. Es liegt sogar im Bereich des Möglichen, dass es mir Spaß macht, vor allem, weil ich sehe, wie viel Spaß es ihm macht.

Wer weiß, vielleicht träume ich schon sehr bald den Traum von einem sorglosen Alter mit den Fußballmillionen des Nachwuchses. Dann allerdings wecken Sie mich bitte schnell auf!

Lesen Sie hier mehr aus der Kolumne „Mensch, Mutter“.

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr. Sie schreibt im Wechsel mit ihrem Kollegen Michael Setzer, der als „Kindskopf“ von seinem Leben zwischen Metal-Musik und Vatersein erzählt.