Dinah Nyakato ist 34 und eine von nur zehn Frauen, die für Touristen in den ugandischen Rwenzori-Bergen Gepäck und Essen schleppen. Unserem Autor Johannes Nedo hat sie erzählt, wie sie sich in diesem harten Job behauptet.

Kampala - Als Dinah Nyakato den letzten Anstieg in Angriff nimmt, sind alle anderen schon seit mehr als einer halben Stunde im Lager. Langsam stapft sie die steilen Kehren herauf. Erschöpft und mit großen Schweißperlen auf der Stirn streift die kleine, kräftige Frau schließlich den schweren Rucksack von ihren Schultern. „Das war anstrengend“, sagt sie. Obwohl Dinah Nyakato als Letzte ankommt, muss sie sich von ihren männlichen Kollegen keine dummen Sprüche anhören. Im Gegenteil. „Starke Frau“, murmelt einer. Alle wissen: sie ist etwas Besonderes.

 

Etwa 500 Träger arbeiten in den ugandischen Rwenzori-Bergen. Sie schleppen Gepäck, Essen und Ausrüstung der Touristen, die die mehr als 5000 Meter hohen Gipfel im Osten des Landes besteigen wollen. Es ist ein harter Job, etwa 25 Kilogramm muss jeder schultern, dazu kommt noch das eigene Gepäck. Außerdem ergießt sich im unteren Teil der mit dichtem Regenwald bewachsenen Berge fast täglich starker Niederschlag. Und im oberen Teil gibt es viele eisige Stellen, die nur mit Pickel und Steigeisen bewältigt werden können. Wenig überraschend: fast alle Träger sind männlich. Nur zehn sind Frauen.

Hinauf auf den Mount Stanley, das ist die Königsdisziplin

Eine davon ist Dinah Nyakato. Die 34-Jährige hat den Job noch nicht lange. Zwischen Weihnachten und Neujahr begleitete sie ihre ersten beiden Touren. Kürzere Wanderungen von zwei bis drei Tagen waren das. Auf dem höchsten Gipfel der Rwenzoris, dem Mount Stanley (5109 Meter), stand sie noch nicht. Diese Touren dauern mindestens acht Tage. Einen besonderen Trägertest vor ihrem ersten Einsatz musste Dinah Nyakato nicht absolvieren: „Sie haben einfach nur geschaut, ob ich fit aussehe.“ Das tat sie – und so kam sie auf die Liste. Jeden zweiten Tag geht sie nun zum Büro der Träger, um zu erfahren, wie weit sie auf der Liste nach oben gerückt ist und wann ihr nächster Einsatz ansteht.

Natürlich empfindet Dinah Nyakato Stolz, dass sie zu den wenigen Frauen gehört, die den harten Trägerjob auf sich nehmen. Doch viel wichtiger ist, dass sie überhaupt einen Job hat. Die Region der östlichen Rwenzoris profitierte lange von Kupfervorkommen, aber seit mehr als 30 Jahren sind die Mienen stillgelegt. Seither geht es für die Bevölkerung stetig bergab. Nun wollen Chinesen und Inder wiedereinsteigen, Njakato zweifelt jedoch daran, ob sich dadurch auch für sie etwas ändern wird: „Ich habe keine Ausbildung. Für Leute wie mich gibt es hier eigentlich keine Arbeit.“ Außer als Trägerin.

Drei Euro pro Tag auf Tour – zu wenig für die Familie

Dinah Nyakato gibt nur sehr zurückhaltend etwas von sich preis. Bröckchenweise erzählt sie, dass sie mit ihren vier Kindern in dem kleinen Dorf Kisinga lebt, 30 Autominuten vom Fuß der Rwenzori-Berge entfernt. Ihre Kinder sind zwischen drei und 16 Jahre alt, und wenn die Mutter auf einer Wanderung ist oder sich beim Trägerbüro erkundigt, muss sich der älteste Sohn um die Geschwister kümmern. Einen Mann hat Dinah Nyakato nicht mehr. Sie hat sich scheiden lassen. „Er hat nie geholfen“, sagt sie und senkt den Kopf.

Der Job als Trägerin ist ihr einziges Einkommen. 10 000 Ugandische Schilling verdient sie pro Tag auf einer Tour, etwa drei Euro. Das Geld reicht kaum, um die Familie zu versorgen. Und im Februar muss ein riesiger Betrag beglichen werden, denn dann beginnt in Uganda das neue Schuljahr. Für jedes der drei älteren Kinder fallen pro Semester (drei Monate) 300 000 Schilling an. Das 30-fache ihres Tageslohns. Wie sie all das Geld aufbringen will, weiß Dinah Nyakato noch nicht. Zudem dauert die Hauptsaison am Berg nur bis April.

Nach dem kräfteraubenden Aufstieg zum Lager lässt sich Dinah Nyakato von ihren Kollegen aufheitern. „Jetzt bist du eine starke Frau“, sagt einer. „Aber bald wirst du eine ganz starke Frau sein. Denn wer den Mount Stanley besteigt, gehört zu einem sehr exklusiven Kreis.“ Sie lacht, doch sie weiß: der Mount Stanley ist ihr kleinstes Problem.

Kolumne
Johannes Nedo reist mit seiner Frau neun Monate durch Afrika und Südamerika. In der StZ berichtet er von seinen Abenteuern und von besonderen Begegnungen.