Kolumne über musikalische Tiere Spielt Ihre Spinne auch Schlagzeug?
Die achtbeinigen Krabbeltiere haben kein gutes Image. Höchste Zeit, mal genauer hinzusehen - und zu hören.
Die achtbeinigen Krabbeltiere haben kein gutes Image. Höchste Zeit, mal genauer hinzusehen - und zu hören.
Stuttgart - Spinnen haben es nicht leicht. Das fängt schon damit an, dass sie oft als Insekten bezeichnet werden. Dabei stellen die Achtbeiner innerhalb der Gliederfüßer eine eigene Klasse dar. Wer etwas von zoologischer Systematik versteht, kann daraus ableiten, dass Menschen und Schimpansen viel enger miteinander verwandt sind als zum Beispiel Bienen und Kreuzspinnen. Mit anderen Worten: Wer einen Menschen als Affen tituliert– was ja bisweilen vorkommt –, liegt aus biologischer Sicht längst nicht so weit daneben wie jemand, der die achtbeinigen Spinnentiere zu den sechsbeinigen Insekten zählt.
Spinnen werden nicht nur von vielen falsch angesprochen, sie haben auch ein handfestes Imageproblem. Nicht umsonst ist das Internet voller Beiträge mit Titeln wie „Die Hauswinkelspinne – wie gefährlich ist sie wirklich?“ oder „Das sind die giftigsten Spinnen der Welt“. Was dort in der Regel zu lesen ist, lässt sich kurz und knapp mit den Worten „pfui Spinne!“ zusammenfassen. Ein Volksbegehren unter dem Motto „Rettet die Spinnen!“ ist demnach eher unwahrscheinlich, obwohl deren Lebensräume durch Zersiedelung und Intensivlandwirtschaft genauso bedroht sind wie die der Insekten. Ungerechte Welt.
Doch nicht alle haben eine Abneigung gegen Spinnen. Es gibt auch Leute, bei denen die Achtbeiner für große Begeisterung sorgen. Das schlägt sich zum Beispiel darin nieder, dass Forscher Spinnenarten die Namen von prominenten Personen geben, für die sie Sympathien hegen. So hat die brasilianische Biologin Cristina Rheims jüngst vier neue Spinnenarten entdeckt – und sie nach Musikern aus vier Hardrockbands benannt.
Die Forscherin am Instituto Butantan in São Paulo nannte die Spinnen, die sie allesamt der neuen Gattung Extraordinarius zuordnete, E. brucedickinsoni, E. klausmeinei, E. rickalleni und E. andrematosi. Namensvorbilder waren die Musiker Bruce Dickinson (Iron Maiden), Klaus Meine (Scorpions), Rick Allen (Def Leppard) sowie der kürzlich verstorbene André Matos (Angra). Die neuen Spinnenarten sind ein bis zwei Zentimeter lang und für Menschen ungefährlich. Wie Spinnen benannt werden, regelt ein internationaler Kodex, es gibt bei der Namensvergabe aber auch etwas kreativen Freiraum. So wurde eine Jagdspinnenart zu Ehren der britischen Rocklegende David Bowie auf den Namen Heteropoda dawidbowie getauft. Auch Politiker dienen bisweilen als Namensgeber für Tierarten. Davon sind nicht nur Spinnen betroffen, sondern häufig auch Insekten. So nannten Forscher eine Mottenart Neopalpa donaldtrumpi, weil deren Kopfbeschuppung dem wirren Haupthaar von Donald Trump ähnelt. Nicht alle Politiker empfinden es jedoch als Ehre, wenn ein Tier nach ihnen benannt wird. So freute sich der chinesische Staatschef Xi Jinping ganz und gar nicht darüber, dass ein Käfer, der sich von modrigem Holz ernährt, den Namen Rhyzodiastes xii erhielt.
Zurück zu den Spinnen. Dass einige von ihnen nach Musikern benannt wurden, hat durchaus seine Logik. So konnten Forscher zeigen, dass die Männchen mancher Spinnenarten durch rhythmische Bewegungen beeindruckende Schlagzeugsoli produzieren. Aufzeichnungen belegen: Wer über acht Extremitäten verfügt, tut sich mit komplexen polyrhythmischen Strukturen oft leichter als ein menschlicher Drummer, der Trommeln und Becken mit maximal vier Gliedmaßen traktieren kann. Andere Spinnen justieren einer Forschergruppe der Oxford University zufolge die Spannung der Fäden ihrer Netze ähnlich wie ein Gitarrist die Saiten seiner Gitarre. Und dann kommt so ein putzwütiger Mensch daher und macht das frisch gestimmte Instrument kaputt. Sind halt doch Banausen, diese Zweibeiner.