Unser Kolumnist Götz Aly glaubt, dass eine Mordtat wie die in Kandel das Miteinander in Deutschland zerstört.
Stuttgart - Tagesjournalismus erfordert Wiederholungen. Das liegt daran, dass über zähes politisches Hin und Her berichtet werden muss und über Vorgänge, die sich binnen 24 Stunden nur minimal ändern. Deshalb sei kurz wiederholt, worauf ich – damals wenig populär – angesichts der vielen neuen Flüchtlinge am 22. September 2015 hinwies: „Zur Willkommenskultur der Einheimischen gehört die Anpassungskultur der Neuankömmlinge.“– „Eines muss mit kompromissloser Härte durchgesetzt werden: Das Grundgesetz steht über dem Koran.“ – „Frauen und Männer sind gleichberechtigt; Selbstjustiz ist verboten.“ – Viele Flüchtlinge stammen „aus Verhältnissen, in denen „patriarchale, tribale und voraufklärerische Lebens- und Moralvorstellungen dominieren“.
Kein Echo in überregionalen Medien
Dieser Tage bewegt uns der Mord von Kandel: Am 27. Dezember wurde dort die 15-jährige Mia von dem afghanischen Flüchtling Abdul D. erstochen, weil sie erklärtermaßen nicht mehr mit ihm gehen wollte. Am 20. Dezember versuchte ein anderer afghanischer Flüchtling aus demselben Motiv, eine 17-jährige Deutsche in der Berliner Havel zu ertränken. Am 22. Dezember stach ein Flüchtling (16) in Darmstadt auf seine deutsche Exfreundin ein. Durch Zufall endeten beide Fälle nicht tödlich. Am 29. Dezember versuchte ein Nigerianer (23) im schwäbischen Wendlingen, eine 27-jährige Frau vor die einfahrende S-Bahn zu stoßen, weil diese eine andere Frau vor dessen Belästigungen hatte schützen wollen. Andere Wartende überwältigten den Mann in letzter Sekunde. Die drei letztgenannten Taten fanden kein Echo in überregionalen Medien. Ganz offensichtlich werden sie als Bagatellen behandelt.
Das Sicherheitsgefühl ist erschüttert
All das – und vermutlich mehr – geschah binnen einer Woche und erschütterte das allgemeine Sicherheitsgefühl. Als ich in den Herbstferien meinem ältesten Enkel (14) auf seinen Wunsch hin Israel zeigte, traktierte mich dessen Mutter mit den strengen Reisewarnungen des schweizerischen Außenministeriums. Ich antwortete ihr leicht genervt: „Die Chance, in Israel ein Messer zwischen die Rippen zu kriegen, ist nach meinem Gefühl deutlich geringer als in Berlin-Neukölln.“ Die Reise verlief problemlos. Aber eines zeigt das Argument: Auch mein Vertrauen in die öffentliche Sicherheit Deutschlands ist angeknackst. Und gewiss werde ich meiner Enkelin nicht raten: „Kümmere Dich doch bitte nett um die armen unbegleiteten ‚Geflüchteten‘.“ Ihre und andere Eltern werden solches erst recht nicht mehr tun, sondern ängstlich warnen – egal, welche Partei sie wählen.
Das Grundvertrauen fehlt
Daran knüpfen sich Fragen. Muss man es hinnehmen, dass sich der aus Afghanistan stammende Mörder einer Freiburger Joggerin lügnerisch als Minderjähriger ausgab und im Fall Mia Ähnliches zu vermuten ist? Lässt es sich nicht verhindern, dass offenbar immer mehr junge Männer mit ziemlich langen Messern in der Tasche herumlaufen? Dass Aydan Özoguz (SPD), Staatsministerin für Flüchtlinge und Integration, zu all dem schweigt, überrascht leider nicht. Aber ist es nicht ein Zeichen von Feigheit, dass die Bundeskanzlerin das Thema in ihrer Silvesteransprache mied? Das im Alltag so wichtige Grundvertrauen in fremde Menschen zerbricht an einer Mordtat wie der in Kandel. Sie zerstört das freundliche Miteinander. Sie nagt im Gedächtnis des Herzens.
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Am 9. Januar schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Katja Bauer