Das Ehegattensplitting war einst dazu gedacht, Kinder zu begünstigen. Heute nützt es den Falschen, meint unser Autor Götz Aly. Ein guter Anlass zur Abschaffung könnte die Entscheidung des Bundestags für eine gleichgeschlechtliche Ehe sein.

Stuttgart - Schön, dass homosexuelle Paare bald standesamtlich heiraten dürfen. Doch sollte mit der Liberalisierung nun endlich auch das steuersparende Ehegattensplitting verschwinden. Mit den bis heute gültigen Steuerklassen wurde es im Jahr 1934 auf der Basis eines altväterlichen Ehebilds eingeführt: die Gattin als Hausfrau, Gebärende und Mutter, die dem Herrn Gemahl in jeder Beziehung „aufwartet“. Der zuständige Finanzstaatssekretär Fritz Reinhardt bezweckte mit dem Splitting „die Erzeugung nationalsozialistischen Nachwuchses“, wollte die Arbeitslosigkeit mildern und der „deutschen Mutter“ Suffragettenflausen austreiben. Mittlerweile können Reinhardts Motive als überholt gelten.

 

1958 eingeführt – nach dem Modell von 1934

Nach einer kriegsbedingten Pause wurde das Splitting 1958 wieder eingeführt, dem Modell von 1934 folgend. Das geschah aufgrund einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957. Der Tenor des Beschlusses lautete: „Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“

Dazu zählte das Verfassungsgericht insbesondere „die Reinerhaltung, Gesundung und soziale Förderung der Familie“ und hob hervor, „kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge“. Im Zentrum dieser Interpretation von Artikel 6 des Grundgesetzes und des so begründeten Ehegattensplittings stand die finanzielle Begünstigung von Kindern – nicht von Ehepartnern.

„Biologisch und/oder sozial Elternde“

In der ungut verkürzten parlamentarischen Blitzentscheidung vom 30. Juni 2017 zugunsten der Ehe für Homosexuelle wurde Artikel 6 von den Befürwortern stets so zitiert, als handle er allein von der Ehe. Das ist falsch. In Wahrheit garantiert er den „besonderen Schutz“ von Eheleuten, Familien, Kindern und Müttern. Ja, ausschließlich von Müttern. Im Absatz 4 heißt es nämlich noch recht paternalistisch: „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“ Schon deshalb müsste für das Gesetz zur Schwulen- und Lesbenehe der Artikel 6 geändert werden. Der Gedanke, wie das sprachlich geschehen wird, erfüllt mich mit Schrecken. Schließlich sind die Wörter Vater und Mutter mittlerweile in einigen Kreisen verpönt. (Neulich wurde ich regelrecht gezwungen, in einem von mir redigierten Heft für Krippenerzieherinnen statt „Vater-Mutter-Kind-Spiel“ „Eltern-Kind-Spiel“ zu schreiben!) In diesem Stil wird dann im umformulierten Artikel 6 unseres Grundgesetz anstatt von Müttern womöglich noch von „biologisch und/oder sozial Elternden“ die Rede sein. Oh Graus!

Mehr als 35 Prozent der Kinder nichtehelich

Jenseits dessen ergibt sich aus Artikel 6 des Grundgesetzes ein weiteres zwingendes Argument gegen das Splitting. Absatz 5 fordert nämlich, dass für „uneheliche Kinder gleiche Bedingungen“ zu schaffen sind. Da im heutigen Deutschland – anders als im Jahr 1957 – mehr als 35 Prozent der Kinder nichtehelich geboren werden, beinhaltet das Ehegattensplitting eine klare Diskriminierung.

Obwohl einst kinderbegünstigend gedacht, privilegiert das Splitting millionenfach kinderlos Verheiratete und ältere Ehepaare, deren Söhne und Töchter längst flügge sind. Der so eingeheimste Steuervorteil beträgt 20 Milliarden Euro pro Jahr. Würde man diesen Betrag in direkte Leistungen für Kinder umwandeln, dann wäre schnell sehr viel gewonnen.