In seinem Ringen um eine kritische Sicht auf den Franzosen- und Judenhasser Ernst Moritz Arndt berichtet unser Autor von einem Punktsieg.

Stuttgart - Oft schreibe ich vergeblich gegen geschichtspolitischen Unsinn an. Doch hin und wieder lassen sich selbst auf diesem, von vielen obsessiven Geschichtswartinnen und -warten umkämpften Feld kleine Erfolge erzielen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, erinnern sich womöglich an meine Kolumne „Ernst Moritz Arndt leider weggesäubert“ vom 23. Januar 2017. Sie handelte vom Greifswalder Namensstreit über den pommerschen Franzosen- und Judenhasser Arndt (1769–1860), der, das steht gleichfalls fest, mannhaft gegen Leibeigenschaft und feudale Willkür, für Demokratie und Pressefreiheit focht.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass die Universität Greifswald 1933 den Namen Arndts erhielt, verliehen von einer Regierung, die sich als Hüterin des Regionalen und der in ihren Augen vorbildlichen Deutschen hervortat. Deshalb steht seit 1933 auch Friedrich Schiller auf den Briefköpfen und Urkunden der Universität Jena und Martin Luther auf jenen der Universität Halle-Wittenberg.

Selbstgefälliger Geschichtsexorzismus

Da ich selbstgefälligen Geschichtsexorzismus abstoßend finde, verteidigte ich Arndt mit diesen Argumenten: So waren unsere Demokraten eben; wir haben keine besseren; wir sollten das Doppelgesichtige dieses Mannes nicht aus dem öffentlichen Gedächtnis tilgen. Kaum geschrieben, luden mich die heimattreuen Verteidiger Arndts in die wundervoll renovierte Aula der Universität Greifswald ein – also in jene titelgebende „Aula“ des Bildungsromans von Hermann Kant, der dort, vom Krieg aus der Bahn geworfen, 1952 sein Abitur an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät nachholen konnte. Der Saal war rappelvoll, zu 90 Prozent mit Arndt-Bewahrern. Grob gesprochen handelt es sich um eine lokal verwurzelte Koalition aus CDU, AfD und der Linken, die sich gegen Westprofessoren und des Kosmopolitismus beschuldigter Studenten zusammengefunden hatte. Die übergroße Mehrheit klatschte bei meinen vorsichtigen, aufs Widersprüchliche gerichteten Arndt-Verteidigungen frenetisch, bald auch rhythmisch.

„Dann können Sie klatschen, mit wem und gegen wen Sie wollen!“

Da sprang ich auf und donnerte: „Wenn Sie in totalitärer Weise rhythmisch weiterklatschen, anstatt das Gespräch zu suchen, dann verlasse ich den Raum! Dann können Sie klatschen, mit wem und gegen wen Sie wollen!“ Das saß, und in die so geschaffene Ruhe hinein regte ich an: Wie wäre es, wenn die Universität fächerübergreifend eine (bislang fehlende) kritische Gesamtausgabe der Arndt’schen Schriften erarbeiten und im Zuge dessen kontroverse Seminare, Symposien und Vorträge organisieren würde?

Mein Vorschlag sickerte zur Schweriner Landesregierung durch, und dieser Tage erklärte deren Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (SPD), er unterstütze ein solches Projekt. Nur zu!

Historisieren heißt auch, einen Vergangenheitsstreit beizulegen. Greifswald braucht seine Universität. Ja, sie muss gestärkt werden, sonst ist auch diese ostdeutsche Stadt verloren. Und der Name? Seit dem Jahr 2000 erfreut man sich in Greifswald höchst einvernehmlich des Alfried- Krupp-Wissenschaftskollegs – obwohl Alfried Krupp im Jahr 1948 in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher verurteilt worden ist. Das Kolleg wird liberal geführt und ist mit Krupp’schen Stiftungsgeldern reich gesegnet. Beide, Krupp und Arndt, stehen für Fortschritte und Abgründe unserer Geschichte. Wir sollten uns ihrer erinnern – sie nicht verehren.

Vorschau
Nächste Woche schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Katja Bauer.