Lieber Herr Thadeusz, so fragten wir diesmal unseren Kolumnisten, gehören Sie zu denen, die noch Weihnachtskarten schreiben?

Berlin - Würde Weihnachten in die Hände von Fußballtrainern gelegt, dann würde ich mindestens für meine Einsatzbereitschaft gelobt. So fokussiert gehe ich in die Begegnung mit dem Advent. Selbstverständlich schreckt jetzt die Pastorin von der Landeskirche in Tadellosenhausen zusammen. Die in einer Radioandacht mahnt, wir mögen uns an den Feiertagen mehr Zeit füreinander nehmen, auf Geschenke verzichten und stattdessen eine Anzahl von Flüchtlingen zu Hause aufnehmen.

 

Die Ermahnungen gehören für mich aber dazu. Ein moralisierendes Spaßverbot ist das evangelische „Last christmas“. Wobei mich immer wieder überrascht, wenn in Deutschland jemand die Notwendigkeit sieht, vor zu viel Leichtlebigkeit zu warnen. Als versuche man, den Norwegern hinter die Ohren zu schreiben, sie sollen es mit den Sonnenbädern im November bitte nicht übertreiben. So geboten sind Spaß-beiseite-Predigten in unserem Land der schweren Schulter.

Tanz in wigwamweitem Pullover

Und hier kommt die Weihnachtsfriedlichkeit, die es nur einmal im Jahr gibt: Ich höre ihrem verkrampften Vortrag zu und halte für möglich, dass die Pastorin trotzdem attraktiv und sympathisch ist. Wenn sie einen Baileys zu viel hat, tanzt sie in einem wigwamweiten Pullover zu „It’s my life“ von Dr. Alban im Gemeindehaus und schmust anschließend mit einem erwachsenen Konfirmanden. Mir bleibt aber kaum Zeit, diese milde Vorstellung zu genießen. Ich muss unter den Kältebeuteln nachgucken, ob sich die Kreditkarten schon erholt haben. Nicht mehr ganz so heiß gekauft sind. Wie fragte Frau Seidel aus dem Elektronik-Fachgeschäft, als wir uns in dieser Woche unter weihnachtlichen Vorzeichen begegneten: „Sie sagen wirklich zu allem Ja, oder?“

Ein Kollege vom Radio zeigte mir kürzlich das schnell trocknende Handtuch, das er seiner Freundin an Heiligabend überreichen möchte. Wenn schon Badezimmer, dann Bademantel, dachte ich. Der muss so schön sein, dass die Freundin sich damit an einen Hotelpool legen kann, wie sich Faye Dunaway nach ihrem Oscar 1976 in Beverly Hills hingoss.

Es ist ja Weihnachten...

Ist das nicht übertrieben? Vielleicht, aber es ist ja Weihnachten. Mir gefällt die Beleuchtung auf dem Berliner Kurfürstendamm nicht nur, sie entzückt mich auf eine Weise, als würde ich im sonstigen Leben in einem selbst geschnitzten Einbaum nach meinem Mittagessen jagen. Natürlich muss ich mich fragen: Soll es mir ergehen wie Andy Park? Dem Engländer, der seit 1993 jeden Tag Weihnachten feiert. Um es mit dem Verb eines Weihnachtsliedes zu sagen: Ich fürchte, dass Herrn Park eine Schraube entsprungen ist.

Muss aber selbst womöglich einmal nachdrehen, denn niemand hat die spezielle Weihnachstinte gekauft, die der wunderbare Herr Müller in seiner Papeterie anbot. Mit Weihnachtsduft und Weihnachtsglitzer. Niemand, außer mir. Als ich zu schreiben begann, wurde mir leider von dem aufdringlichen Aroma unwohl zumute.

Zum Schreiben der Weihnachtskarten komme ich erst Mitte Januar, denn über die Vorbereitung des ganzen Essens haben wir noch gar nicht gesprochen. Es ist mindestens immer so viel da, dass auch Faye Dunaway und diverse ernste Protestanten zum Mitplatzen vorbeikommen könnten – Weihnachten eben.

Vorschau
Am kommenden Dienstag, 29. Dezember, erscheint die nächste Kolumne von Katja Bauer.