Natürlich weiß Jörg Thadeusz, dass er Sport treiben sollte. Ein Leben mit Sport ist schön. Aber ein Leben ohne Sport ist einfach schöner, meint unser Kolumnist.

Berlin - Ein Leben ohne Sport ist bestimmt schön. Ein neues Buch kaufen. Mit der Straßenbahn und ganz gewiss nicht mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Sofort lesen, dabei Kekse essen. Oder auch schon ein Glas Wein trinken. Denn eine Verabredung zum Laufen gibt es nicht. Am Abend nicht. Und auch am Morgen nicht. Aus dem Glas können durchaus anderthalb Flaschen werden. Schließlich ist dieses taumelige Gefühl nach dem ersten halben Kilometer Dauerlauf nicht zu befürchten. Stattdessen einen Moment länger liegen bleiben und dann den Schwindel mit einem herzhaften Frühstück vertreiben.

 

Was heißt hier schön? Herrlich ist es, dieses Leben ohne Sport. Wenn Sie mich sehen, dann würden Sie denken, dass ich es liebe. Wie ein freundlicher Familienvater, der 900 Meter zum Brötchenholen mit dem Auto fährt. Dann aber immer noch mächtig ächzt, wenn er aussteigt.

Lieber Weißwein statt Liegestütze

Trotzdem bin ich drauf. Ich muss Sport treiben. Mit allen schmutzigen Details, die diese Sucht mit sich bringt. Sollte es eine Uhr geben, die nicht nur meine Schritte zählt, sondern auch noch – weiß der Teufel wie – mein Atemvolumen misst, dann kaufe ich die. Ich besitze ein Rudergerät, eine Sturmhaube für Läufe unter null Grad und einen großen Tiegel mit einer Salbe, die die Achillessehne freundlich stimmt. Die Wahrheit ist: Ich habe das alles schon benutzt und werde es weiter brauchen. Dabei müssen wir Medienmenschen solche Geschichten genau andersrum aufschreiben. Auf den guten Vorsatz, mehr für den Körper zu tun, folgt das grundsympathische Versagen. Am Ende sitzen mehrere Sportmuffel bei einem guten Weißwein zusammen und haben es den Liegestütz-Strebern weltanschaulich so was von gezeigt.

In den vergangenen sieben Tagen bin ich zweimal mit dem Fahrrad auf 2300 Metern Seehöhe zu Touren aufgebrochen, die es in meinem Brustkorb regelrecht hämmern ließen. Während ich Ihnen schreibe, riecht es nach Menthol, da ich die Waden einreiben musste. Nach einem zweistündigen Bergaufmarsch ohne große Pausen. In stillen Momenten raunt der Zweifel mindestens vernehmbar: Könnte es sein, dass ich einen Knall habe?

Eine Jogginghose – die richtige Kleidung fürs Sofa

Die Antwort ist Jein. Niemand wird mich mehr hinter feindlichen Linien abwerfen. Stattdessen erreiche ich in drei Jahren das 50. Lebensjahr. Bin dann nur noch für sehr spezifische Fernsehwerbung relevant. Treppenlifte, Harndrangstopper und Schusseligkeits-Tabletten. Da ist es bedeutungslos, wenn ich 1000 Meter so schnell laufen kann wie eine Oberstufenschülerin für die vollen 15 Punkte im Sport-Abi. Statt wie angestochen rumzurennen sollte ich im würdevollen Dreiteiler spazieren und raufenden Kindern Friedensbotschaften auf Latein zurufen.

Natürlich sind auch die anderen schuld. Der unglaublich schnelle und zähe Marathon-Philipp. Die im Nebenberuf Yoga unterrichtende Susanne. Ubald, der zwar schon in Rente gegangen ist, deswegen aber mit dem Triathlon natürlich noch lange nicht aufhört. Immerhin ist Sophia in ein Sportgeschäft gegangen und hat nach einer Jogginghose gefragt. Die Fachverkäuferin begann sofort, die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Hosen zu referieren. Sophia kürzte ab und erklärte, sie brauche nur die richtige Kleidung fürs Sofa. Sonst nichts. Es ist schon wieder schrecklich sportlich, aber aus meiner Sicht war dieser Einkauf goldverdächtig