Schwarzgeld eröffnet einem viele Möglichkeiten. Trotzdem will kein Kind später mal Sportfunktionär werden, meint unser Kolumnist Jörg Thadeusz – sondern lieber tolle Tore schießen.

Berlin - Schon das Einrichten einer schwarzen Kasse stelle ich mir sehr aufregend vor. Ein mir bisher noch nicht bekannter Multimillionär verabredet sich mit mir auf einem Autobahnrastplatz. Treffpunkt ist das Sanifair-Drehkreuz im Untergeschoss. Um uns sicher zu erkennen, tragen wir DFB-Nationaltrikots, die mit „Schalck-Golodkowski“ und „R. Koch“ beflockt sind. Ein kleiner ironischer Fingerzeig auf große Schwarzkassler in der bezahlten Politik. Er übergibt mir – was sonst? – einen Geldkoffer.

 

Sobald der Millionär verschwunden ist, klappe ich das Ding auf und nehme einen kleinen Batzen 100-Euro-Scheine heraus. Nur um zu wissen, wie es sich anfühlt, besteche ich den Pächter der Raststätte. Darf mir deswegen mehrere Würste vom heißen Buffet nehmen. Obwohl ganz groß „Keine Selbstbedienung“ auf einem Schild zu lesen ist. Ich fange an zu „franzen“. Erlaube mir das Unerlaubte. Alles das, was straffrei nur Lichtgestalten wie Franz Beckenbauer vorbehalten ist.

Ein Journalist berauscht von sich selbst

Bei meiner Weiterreise holt mich das Taxi direkt an der Gangway des Flugzeuges ab. Denn die rechte Anoraktasche des Vorfeld-Chefs ist durch mich auch eine schwarze Kasse geworden. Ich reise an einen Ort, an dem ich den Journalisten Jens Weinreich treffen kann. Auf das Sommermärchen 2006 bezogen ist er die Hexe, die Jahre später zombiehaft aus dem Ofen krabbelt, um Hänsel und Gretel doch noch zu erwischen. Was er für das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ aufgeschrieben hat, verwandelte DFB-Präsident Niersbach augenblicklich in einen alten Mann. Weinreich gibt sich in Interviews, als wäre er 1974 und 1990 Weltmeister geworden. Aufbrausend, herablassend, von sich selbst berauscht. Wahrscheinlich sprechen ihn seine Bekannten längst mit „Kaiser“ an.

Aus meiner schwarzen Kasse kaufe ich ihm ein wunderschönes Lebkuchenhaus. Mit Seeblick. Regelmäßig werde ich Freundinnen bitten, dass sie einen Kaffee mit ihm trinken. Und ihm dabei versichern, wie toll er ist. Dann muss er sich nicht mehr als „Investigativjournalist“ mühen. Macht man doch schließlich nur, um von vielen tollen Frauen bewundert zu werden.

Kein Kind möchte mal Sportfunktionär werden

Hoffentlich ist dann noch Schwarzgeld übrig. Für Fahrkarten. Oder besser einen Sonderzug. Meine Freunde sollen wieder nach Berlin kommen. An Bord bekommen sie Champagner aus Kristallgläsern. Auf den Monitoren in diesem Wagen laufen die fünf Tore des BVB gegen den FC Bayern München im DFB-Pokalfinale 2012 in einer Dauerschleife. Dafür müssen sie nichts machen. Nur wieder in dieser Stimmung sein wie 2006.

Leider weiß ich noch nicht, wie ich die beiden afrikanischen Fußballfans finden soll. Mit denen sang ich seinerzeit auf der Fanmeile „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“. Im Auftrag der ARD. Denn damals war selbst eigentlich zartbitteren Redakteuren kein Übermut zu übermütig. Gleichgültig, wie oft Zeitfunkmoderatoren wiederholen, dass das Sommermärchen endgültig vorbei sei: Dieses tolle Weltfußballturnier lasse ich mir heute nicht durch deutsche Rechthabermeisterschaften verschatten.

Kein Kind, das man aufrichtig lieb haben kann, möchte mal Sportfunktionär werden, wenn es groß ist. Sondern lieber klein bleiben wie Philipp Lahm. Aber wie er das erste Tor eines sonnigen, friedlichen, schön beschwipsten Gemeinschaftserlebnisses schießen.