Der Streit um ein Kreuz auf dem Berliner Schloss zeigt, wie wenig schlüssig die Idee der Rekonstruktion war.

Berlin - Manchmal scheinen Jahrzehnte voller Streit nicht genug zu sein – es findet sich immer wieder ein neuer, gerne kleiner Grund zur Auseinandersetzung. Die Lust, mit der man sich dann an Details zerreibt, ist meistens ein Zeichen dafür, dass irgendwas am großen Ganzen nicht stimmt. Berlin hat da vor allem städtebaulich eine Menge zu bieten, was vielleicht daran liegt, dass die Dauertransformation der Stadtlandschaft schon immer politisch aufgeladen war. Am sichtbarsten wird das in der historischen Mitte. Gerade wird mal wieder – mit großer Leidenschaft ums Stadtschloss gestritten. Thema: Soll die Kuppel von einem Kreuz gekrönt werden? Loriot würde sagen: da regt mich schon die Frage auf!

 

Denn was bitte soll ein Kreuz als christliches Symbol auf einem neu errichteten Haus, das sich unter dem Namen „Humboldt-Forum“ im Mittelpunkt der Metropole dem Dialog der Weltkulturen widmen will? Die Antwort kann nur lauten: nichts. Jedenfalls hoffentlich, wenn man es mit dem Dialog ernst meint.

Statt über Inhalte und Ideen stritt man über die Form

Die Debatte zeigt auf den Kern des Problems. Die Idee, ein Gebäude nicht aus seiner Nutzung heraus zu planen, sondern die reminiszente Hülle eines einstigen Schlosses zu errichten und sich dann erst zu überlegen, was man damit macht, war nie schlüssig. Zur Erinnerung: in Berlins historischer Mitte – gerne aufgeladen als Staatsmitte – stand einst das Schloss der Preußenkönige. Es sah zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich aus, im 19. Jahrhundert gehörte eine Kuppel dazu, auf der, weil drunter eine Kapelle eingebaut worden war, ein Kreuz schwebte.

Die DDR sprengte dann aus ideologischen Gründen den kriegszerstörten Feudalbau. Stattdessen entstand hier der Palast der Republik, Veranstaltungshaus mit Pseudoparlament. Aber auch andere Geschichtssieger kosten ihre Triumphe aus: Nach der Wende wurde der Palast wegen Asbestverseuchung flugs geschlossen - und der von der CDU regierte Berliner Senat wirkte erfolgreich auf den Abriss hin. Tabula rasa. Das hatte auch Vorteile: Wo viel gestanden hatte, konnte Neues entstehen. Aber statt über Inhalte und Ideen für eine Mitte stritt man über die Form und entschied politisch: der Bundestag stimmte für einen Bau in Schlossgestalt – an drei Seiten eines neuen Gebäudes, mit einer privat finanzierten Fassade. Und einem Inhalt wie beschrieben. Oder sagen wir umrissen.

Es wird vermischt, was nicht zusammengehört

Nun zeigen sich Folgen der unpassenden Verbindung zwischen einer klitternden Teilschlosshülle und der nach vorne gewandten Idee des Humboldtforums. Im aktuellen Streit wird vermischt, was nicht zusammengehört. Die Befürworter eines Kreuzes auf der Schlosskuppel argumentieren, es gehöre historisch zum Schloss – was faktisch auch erst seit dem 19. Jahrhundert stimmt und das Signal für die Existenz der darunter liegenden Schlosskapelle war.

Davon abgesehen geht es aber beim Humboldtforum gar nicht darum, ob ein Kreuz historisch mal zum Schloss gehörte – außer man tut so, als sei ein Kreuz ein Fassadenschmuck wie ein Gesims. Wer auch nur kurz über den Inhalt nachdenkt, der hier im Geist der Humboldt-Brüder verhandelt werden soll, dem muss daran gelegen sein, dass der Ort die Gleichwertigkeit unterschiedlicher Kulturen ausstrahlt. Ein Kreuz zuoberst – was für ein erklärungsbedürftiges Signal das hierbei wäre.

Vorschau In der kommenden Woche schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.