Blanker Hass hilft nicht. Wer Dialog will, der muss irgendwann so formulieren, dass sein Gegenüber es aushält, meint StZ-Autorin Katja Bauer.

Berlin - Herr Höcke von der AfD ruft es in Erfurt von einer Bühne: „Lumpenpack“ seien die Gegendemonstranten. Sie sollten „in ihre Löcher“ kriechen. Herr Gabriel von der SPD sagt nach der Randale vor einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau, er sehe „Pack, das eingesperrt werden muss“ und: „diese Leute haben mit dem Land Deutschland, wie wir es wollen, nichts zu tun“. Für Höcke reicht zur Beschimpfung gewählter Abgeordneter aus, dass sie dasselbe tun wie er: sie sagen ihre Meinung. Nur eben gegen die AfD. Das Regierungsmitglied Gabriel spricht einer Gruppe von Staatsbürgern pauschal die Zugehörigkeit zur Gesellschaft ab und hält sich gar nicht erst auf mit Bürgerrechten oder rechtsstaatlichen Verfahren.

 

Bis vor kurzem sah der politische Diskurs in diesem Land noch anders aus. Vielleicht auch deshalb hat Gabriel an jenem Sommertag diesen riesigen Fehler gemacht: er ist ausgestiegen aus der sachlichen Debatte. Eingestiegen ist er in eine Spirale der Verrohung, die sich in hohem Tempo dreht. Etwas Schlechteres kann man der totalitären Sprache, die sich gerade etabliert, nicht entgegensetzen.

Man darf auch dumme Sachen sagen

Angeblich wird auf den Straßen derzeit eines der hohen Güter dieser Demokratie verhandelt: die Meinungsfreiheit mitsamt ihren Grenzen. Zumindest lassen es Leute wie Björn Höcke und andere Vertreter der Neuen Rechten so erscheinen. Indem man sich als Opfer von „Meinungsdiktatur“ oder „Tugendterror“ geriert, leitet man daraus den Schluss ab, jeden verbal niederzutrampeln zu dürfen, dessen Meinung man nicht mag, dessen Religion man nicht respektiert, dessen Visage einem nicht passt. Die Meinungsfreiheit, die laut Pegida nicht existiert, wurde lange nicht so gedehnt. Gewählte Politiker werden zu „Volksverrätern“, Journalisten zu „Lügenpresse“, Vertreter anderer politischer Lager zu „Lumpenpack“. Wie in sich widersinnig diese Argumentation ist, scheint die Anhänger erstaunlich wenig zu stören.

Das Recht zu sagen, was man denkt, steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Dazu gehören auch Ressentiments und Sachen, die andere für dumm halten oder für widerlich. Was es allerdings nicht gibt, ist ein Recht darauf, dass einem niemand widerspricht. Da kann man noch so laut „Lumpenpack“ schreien.

Woher kommt der Zorn?

Dass AfD und Pegida mit dem Gebrüll vielen Wütenden aus den Herzen sprechen, muss nachdenklich machen: Mehr Freiheit war nie. Wieso empfinden Menschen so, als habe ihnen jemand einen Maulkorb angelegt? An welchen Punkten der gesellschaftlichen Debatte haben sie das Gefühl verloren, repräsentiert zu sein? Woher kommt der Zorn, woher das Misstrauen? Und vor allem: was für eine Republik wird eigentlich herbeigewünscht, indem man sich hinter Leuten versammelt, die jede Woche wüstere Parolen skandieren? All das sind Fragen, die zu debattieren dringend nötig wäre.

Es wäre gut, zu streiten. Blanker Hass hilft nicht. Zum Streiten gehört auch, irgendwann so zu formulieren, dass das Gegenüber das Gesagte aushalten kann. Immer vorausgesetzt natürlich, man will überhaupt einen Dialog. Ohne den allerdings wird es nicht gehen: Einen Diskurs führen, der viele mitnimmt – das bedeutet Demokratie, das ist mühsam, und nicht immer kommt was wirklich Gutes dabei raus. Es bräuchte jetzt viele Besonnene, die verbal abrüsten. Dazu haben alle die Freiheit, jederzeit.