Der Nachrichtensender CNN leistet sich eine instinktlose Dummheit – und bringt Franck Ribéry in Zusammenhang mit einer Toten in einer Kältekammer. Der Bayern-Star zeigt sich daraufhin an Leib und Seele verletzt.

Stuttgart - Immer wieder macht der US-Fernsehsender CNN im deutschen Fußball Furore. Vor zwanzig Jahren ging es los, als Otto Rehhagel von Werder Bremen zum FC Bayern überlief und der Moderator Poschmann den Trainer im ZDF-„Sportstudio“ fragte, warum er der Verlockung nicht widerstanden habe – worauf Rehhagel sagte: „Wenn Sie ein Angebot von CNN kriegen, sind Sie doch hier auch weg.“

 

Auch diesmal geht es um den FC Bayern, wegen Franck Ribéry. Der Franzose verlangt von CNN anderthalb Millionen US-Dollar, als Strafe für eine instinktlose Dummheit. Denn ungefragt hatten die Amerikaner den Bericht über eine Frau, die in Nevada in einer Kältekammer starb, mit einem Foto illustriert, das den Bayern-Star bei der Regeneration in einer Eistonne zeigt. Ribéry, zuletzt lange fußverletzt, fühlt sich dadurch auch seelisch verletzt, jedenfalls fordert sein Anwalt wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild einen angemessenen Ersatz für den Schaden, der seinem Mandanten „durch die krankhafte Veröffentlichung und die Reaktion darauf entstanden ist“.

2,7 Millionen Dollar Schadenersatz von McDonald’s

Dass CNN für den Fauxpas belangt gehört, stößt nirgends auf großen Widerspruch, und der Sender hat sogar noch Glück, dass Ribéry in Frankreich und nicht in den USA dagegen vorgeht. Denn im Geburtsland des Schmerzensgelds können Schadenersatzklagen richtig teuer werden – anderthalb Millionen fallen da unter die Kategorie „Peanuts“. So erstritt sich eine Kundin von McDonald’s stolze 2,7 Millionen Dollar, weil sie sich am heißen Kaffee verbrühte, und der Zigarettenhersteller Philip Morris wurde zur Zahlung von 28 Millionen an eine 64-Jährige verdonnert, die an Lungenkrebs erkrankte. Der Richter gab der Frau recht: Woher sollte sie wissen, dass Rauchen schadet? Konsequenterweise klagt in den USA inzwischen jeder gegen jeden, denn ein Grund findet sich immer.

Aber kehren wir zurück zum Sport und nach Europa. Viel Schmerzensgeld ist inzwischen auch hier im Umlauf, wie in Klagenfurt, wo sich ein Eishockeyzuschauer nicht ungesühnt einen Puck an den Kopf schießen ließ – und als ein Fußballfan von Hannover 96 klagte, weil es im Bus zum Auswärtsspiel keine Toilette gab, reichte auch das für immerhin 150 Euro Entschädigung.

Dabei gab es vor Jahren noch Richter, die bei Schadenersatzklagen zusammenzuckten, als ginge es um ihr eigenes Erspartes. Wie knausrig sie oft waren, wenn sich ein Fan für den Lebensabend etwas auf die hohe Kante legen wollte, zeigt das hartherzige Urteil des Amtsgerichts Koblenz (Aktenzeichen 15 C 3047/98): „Schaut sich ein Fußballfan auf seinem Balkon ein Spiel im Fernsehen an und stürzt beim Torjubel ab, so kann er keine Leistungen aus seiner privaten Unfallversicherung fordern, wenn er 2,55 Promille Alkohol im Blut hatte.“

Bockige Versicherungen, pingelige Richter, das Geld fiel den Klägern lange nicht in den Schoß. Linksaußen Ewald Lienen stellte einst Strafantrag gegen den Verteidiger Norbert Siegmann, der ihm einen 25 Zentimeter langen Schlitz in den Schenkel gegrätscht hatte, doch das Verfahren wurde eingestellt und an die Sportgerichtsbarkeit verwiesen. Nichts zu lachen hatte auch Jens Lehmann: Beim berühmten Prozess „Nationaltorwart gegen Nationaltorwart“ forderte er 20 000 Euro, nachdem sein Kollege Tim Wiese in einem Interview gesagt hatte, Lehmann solle sich einweisen lassen, „am besten in die Geschlossene“. Doch das Landgericht München sah darin keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung. Inzwischen reagiert so mancher Richter beim Nachweis des „emotionalen Schadens“ eher begeistert.

Auf dem Vormarsch sind aber vor allem bleibende Ohrenschäden. Ein Fan ging nach einem Böllerschuss im Stadion beispielsweise erfolgreich gegen Borussia Mönchengladbach vor – es war ihm ergangen wie jenem Theaterbesucher in Wiesbaden, der über wachsendes Ohrensausen klagte, nachdem ein Schauspieler bei der Aufführung von Goethes „Faust“ auf der Bühne eine 9-Millimeter-Schreckschusspistole abfeuerte. Der Richter schickte einen Sachverständigen ins Theater, der noch mal schoss und am Sitzplatz des Tinnitusopfers in der neunten Reihe prompt einen Schallpegel von 128 Dezibel ermittelte. Das entspricht ungefähr dem Geräusch eines startenden Düsenjägers oder den in den Rekordbüchern des Fußballlärms festgehaltenen 132 Dezibel der Fans von Besiktas Istanbul am 18. März 2011 im Inönü-Stadion beim unvergesslichen 3:0 gegen Genclerbirligi.

Gesundheitsgefährdende Pistolenschüsse sind für Theaterbesucher unzumutbar, entschied der Richter – und tröstete das Opfer mit einer stolzen Summe über das Knalltrauma hinweg.

Golf spielen mit Michael Douglas ist gefährlich

Bei vielen Beklagten wird das Umgehen des Gerichts deshalb immer beliebter. Beim Golfspiel in New York traf Michael Douglas („Der Rosenkrieg“) mit einem Ball den Caddie James Parker einst so unglücklich unter der Gürtellinie, dass ein zerschmetterter Hoden entfernt werden musste. Die mehrstellige Millionenforderung schmetterte der Hollywoodstar dann auch noch ab, mittels einer außergerichtlichen Einigung – allerdings sei die, hieß es im Rahmen eines unappetitlichen Scherzes, durchaus zur Zufriedenheit des Eineiigen ausgefallen.

Auch der Chef von Jürgen Klopp hat’s nicht leicht

Das ist die Kehrseite der zunehmenden Schmerzensgeldklagen, sie locken auch Spottgoschen an, die nach jedem positiven Urteil lästern: Raucht mehr Zigaretten! Bestellt euch heißen Kaffee! Sitzt in die vorderen Reihen! Werdet Caddie beim Golf! Geht verstärkt zum Baseball! Denn auch dort ist die Chance, von einem verirrten Ball zwischen den Beinen erwischt zu werden, fast so groß wie die auf den Gewinns mittels eines Sechsers im Lotto.

Die Geschichte, die wir an dieser Stelle noch schnell erzählen müssen, wird auch Jürgen Klopp interessieren. Der schwäbische Startrainer gehört ja inzwischen dem schwerreichen Amerikaner John W. Henry, der den FC Liverpool besitzt, aber auch den US-Baseballclub Boston Red Sox. Dessen Heimspiele laufen nie klaglos ab, binnen Kurzem endeten drei weibliche Zuschauer krankenhausreif: Tonya Carpenter und Stephanie Wapenski wurden von einem Schläger und dem Ball getroffen, und wegen desselben Pechs hat auch Stephanie Taubin hässliche Gesichtsverletzungen davongetragen und Henry auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt. Jetzt muss Klopp hoffen, dass dessen Geld danach auch für ihn noch reicht.

Vorerst bleibt für John W. Henry nur ein Trost: Als Medienzar hat er sich nicht den TV-Sender CNN gekauft, sondern die Zeitung „Boston Globe“ – und die hat das Foto von Ribéry in der Eistonne weggelassen.