Automatisch eingeblendete Werbung führt immer häufiger zu aberwitzigen Kollisionen. Und niemand scheint die wild gewordenen Programme zu kontrollieren.

Stuttgart - Unmündige Algorithmen sollte man nicht unbeaufsichtigt lassen. Automatisierte Werbung löst in zunehmendem Maß Peinlichkeiten aus, für die sich sogar eine Maschine schämen müsste. Am 5. Oktober 1996 starb Seymour Cray, der Vater der Supercomputer, 71-jährig an den Folgen eines Autounfalls. Auf der Homepage von Cray Research wurde der Tod des Unternehmensgründers angezeigt – und darunter ein Werbebanner mit einem Slogan der Firma Silicon Graphics, die kurz zuvor die in Konkurs gegangene Cray Computer Corporation übernommen hatte: „We’ll take your breath away“.

 

Mit dieser taktlosen Einblendung kündigte sich eine in den Folgejahren anschwellende Lawine automatisch ausgespielter Online-Werbebanner an. Mit Googles kontextbezogener Werbung nahmen die Gelegenheiten zu derartigen Kollisionen rasant zu. Das Phänomen gab es auch schon zu analogen Zeiten. Im Januar 1992 strahlte Sat 1 den Horror-Klassiker „Der Exorzist“ aus und just in dem Moment, in dem sich die Hauptdarstellerin Linda Blair nach allen Regeln der Filmkunst erbrach, kam ein Werbespot für Fertigsuppen und der Slogan: „Gutes nach Art des Hauses.“

Jenny Elvers als Freundin? Was habe ich falsch gemacht?

Heute schlägt mir auf Facebook eine Anzeige am Bildschirmrand vor, mich mit Jenny Elvers anzufreunden. Was habe ich falsch gemacht? Niemand scheint zu kontrollieren, was wildgewordene Werbesoftware manchmal so aufführt. Eine der avancierten Werbeformen, das sogenannte in-image advertising, ist eigentlich dazu gedacht, dass man ein Foto von Sarah Jessica Parker oder Jay-Z am Bildschirm sieht und dazu die Möglichkeit geboten bekommt, sich umgehend ähnlich schicke Schuhe oder die selbe Mütze zu kaufen, wie die Prominenz sie trägt. Überlässt man eine solche Mustererkennungs-Software sich selbst, kann es, wie neulich bei Yahoo News, auch zum GAU kommen. So empfahl „Get the look“, wie das Feature dort heißt, zum Foto eines afghanischen Taliban-Kämpfers dessen Schal, der ganz ähnlich im Online-Versandhandel zu haben war.

Algorithmen produzieren inzwischen nicht mehr nur Aberwitz, sondern blockieren auch den Vertrieb von Produkten. Der amerikanische Autor Cody Jackson hat ein Buch über die Programmiersprache Python geschrieben. Um es zu verbreiten, veröffentlichte Jackson im Netz Filesharing-Links auf die Datei – worauf Google ihm das Konto für die Google-Kleinanzeigen auf seiner Website sperrte. Aber Filesharing hat eben nicht immer mit unterlaubtem Kopieren zu tun. Erst als ein großes US-Blog über die Geschichte berichtete, bekam Jackson wieder Zugang zu seinem Werbekonto – und er hat eine Erkenntnis gewonnen: „Wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen, legitimen Produkte im Netz zu veröffentlichen, weil eine Automatik befürchtet, dass es sich dabei um eine Urheberrechtsverletzung handeln könnte, stimmt definitiv etwas nicht.“

Peter Glasers Blog Glaserei