Die Versandhändler werden immer besser. Ihren Nutzern werden Amazon & Co. bestimmt bald schon alle Wünsche erfüllen, ohne dass es einer Bestellung bedarf.

Stuttgart - Vor kurzem war zu hören, das Versandhaus Amazon habe einen „antizipatorischen Paketversand“ zum Patent angemeldet. Dabei sollen Käufe mit Computerhilfe vorausgeahnt und die entsprechenden Logistikzentren schon mit Waren beschickt werden, noch ehe etwas bestellt wird. Diese Prognosen werden von Algorithmen erstellt, die bis dahin gelernt haben werden, in den immer gewaltigeren Mengen an Kundendaten nutzbare Strukturen zu erkennen, etwa Vorlieben oder potenzielle Kaufgewohnheiten.

 

Die Entwicklung ist nicht neu. Das Vokabular hat sich gewandelt, statt Data Mining heißt es nun Big Data. Vor allem aber hat die Leistungsfähigkeit von Hardware und Software um ein Vielfaches zugenommen. Im September 2004, während Hurrikan Frances auf die Küste Floridas zuraste und Meteorologen Vorhersagen über seinen Weg bekannt gaben, nahmen die IT-Spezialisten des weltgrößten Handelskonzerns Wal-Mart in einem Rechenzentrum in Arkansas ein anderes beeindruckendes Prognosewerkzeug in Betrieb. Tage vor der Ankunft von Frances untersuchten sie, womit Umsatz gemacht worden war, als ein paar Wochen zuvor Hurrikan Charly zugeschlagen hatte. Es stellte sich heraus, dass nicht bloß die üblichen Taschenlampen in die Supermärkte an der Küste geliefert werden mussten. Der Top-Seller vor dem Unwetter war Bier. „Aber wir wussten zum Beispiel nicht, dass die Leute vor einem Hurrikan siebenmal mehr Pop Tarts [ein Marmeladengebäck] als sonst kaufen“, staunte die Rechenzentrumsleiterin Linda Dillman damals.

Die nächste Revolution wird ein Anti-Kauf-Knopf sein

Heute dienen Satellitenbilder von Unternehmen wie DigitalGlobe oder GeoEye nicht mehr nur dazu, die Landkarten von Google oder Bing aufzuhübschen. Bank-Analysten ordern aktuelle Aufnahmen, um die Angaben von Warenhausketten zu ihren Kundenzahlen zu verifizieren. Dazu werden Parkplätze aus der Luft beobachtet und beispielsweise erfasst, welchen Einfluss spezielle Werbekampagnen auf die Zahl der Kunden haben. Immer mehr Quellen werden genutzt, um immer detailreichere Röntgenbilder unserer Bedürfnisse und Wünsche erstellen zu können.

Was dem permanent verbesserten Angebotsfluss noch fehlt, ist ein ebenso permanent konsumwilliges Gegenüber. Der nur gelegentlich konsumierende Mensch müsste zum Wohle der digitalen Ökonomie beschleunigt werden. Dazu bedarf es eines Kaufen-Knopfs, der nach dem Prinzip der Totmann-Schaltung in einer Lok funktioniert: Wenn man nicht in regelmäßigen Abständen den Knopf drückt, wird geliefert. Das alte Buchclub-Prinzip, nach dem ein sogenannter Hauptvorschlagsband geliefert wurde, sofern man unwillig war, sich selber etwas auszusuchen, könnte die ganze Weltwirtschaft voranbringen. Und auch Gewerkschaften und der Konsumentenschutz hätten eine neue, zeitgemäße Aufgabe. Sie könnten die Zeit aushandeln, die vergehen muss, ehe man wieder „Nicht liefern!“ drücken muss.