Gedruckte Bücher waren bisher werbefrei. Auf E-Readern könnte Reklame bald zum Alltag werden. Hat das Ende der Buchkultur bereits begonnen?

Stuttgart - Im Frühsommer begann Amazon, Werbekunden für sein neues „Kindle Fire“-Tablet zu suchen. Wie das amerikanische Fachmagazin „Advertising Age“ berichtete, gehen die Preise für einen Werbeplatz auf dem Bildschirmschoner des Kindle Fire bei 600 000 Dollar los. Das ist viel Geld für Werbung in einem digitalen Buch. Amazon-Boss Jeff Bezos macht kein großes Geheimnis daraus, dass er Bücher gerne fast umsonst verkaufen möchte. Die Zukunft sieht er in Werbung in den Büchern – zum Unbehagen vieler Leser und auch von Verlegern, deren Standardverträge den Autoren garantieren, dass in ihren Werken keine Werbung auftauchen wird.

 

Werbung in Büchern gab es in den siebziger Jahren als Kuriosum in Rororo-Taschenbüchern – Anzeigen für solide Bundesschatzbriefe. Wenn heute von Verlagskrise die Rede ist, sind (noch) keine Buchverlage gemeint, sondern eher Zeitungsverlage, vor allem amerikanische, deren Werbeumsätze in den letzten Jahren durch Abwanderung ins Internet stark zurückgegangen sind.

Mit diesen Folgen des digitalen Wandels hatte die Buchbranche bisher kaum zu tun. Aus einem Medium ohne Anzeigen können auch keine Anzeigen abwandern. Dass sich das zu ändern beginnt, wurde erstmals deutlich, als Google 2004 begann, unter der Bezeichnung „Google Books“ Millionen von Büchern aus Bibliotheksbeständen zu digitalisieren. Darüber, dass das Weltwissen digitalisiert werden soll, herrscht Konsens; nicht aber in der Frage, wie. 2005 wurde das Unternehmen von amerikanischen Autoren und Verlegern verklagt, das Verfahren ist nach wie vor anhängig. In einem Kompromissvorschlag, dem Google Books Settlement, wurde Autoren für die digitale Nutzung unter anderem eine Beteiligung an Werbeeinnahmen eingeräumt.

Google ist nur am leeren Rand von Büchern interessiert

Google verdient sein Geld mit der Platzierung von suchwortgesteuerten Textanzeigen am Bildschirm. Zugespitzt könnte man sagen: Die Firma ist nicht interessiert an dem, was ein Buch zum Kulturgut macht, nämlich dessen Inhalt, sondern an dem leeren Rand – um da seine Kleinanzeigen einzublenden. So wird aus einem Kulturträger ein Werbeträger.

Und Amazon ist nicht das einzige Unternehmen, das folgt. Der in Madrid beheimatete Bücher-Streamingdienst 24-Symbols etwa bietet seinen Nutzern kostenlos Zugriff auf digitale Bücher in der Cloud – dafür wird in die Texte Werbung eingeblendet. Auch wenn die Unterbrechungen im Textfluss schon bei digitalen Zeitungsartikeln manchmal bis nah an die Unlesbarkeit führen, beißen Redaktionen und Autoren mangels alternativer Erlösmodelle zunehmend in den sauren Reklame-Apfel.

Es geht aber auch weiterhin werbefrei, gegen Bezahlung. Auf den neuen Android-Tablets von Amazon lässt sich die Werbung, die sowohl auf dem Sperrbildschirm als auch auf dem Startbild erscheint, für 15 Dollar wieder abstellen.

Peter Glasers Blog