Online sein ist sexy, findet unser Kolumnist. Federleicht gelangt man in die Welt – und die Welt zu einem, so wie Kinohelden einst über die Route 66 gebrettert sind. Das fühlt sich gut an!

Stuttgart - In den achtziger Jahren lernten wir, was ein Persönlicher Computer ist. Wir erfuhren, dass Hardware das ist, was einem auf die Füße fallen kann und Software das, was einem auf die Nerven fallen kann. Die Vernichtung lästiger Diplomarbeiten wurde einfach wie nie zuvor. Ganz Mutige schafften sich ein Modem an, das sich in Form eines unverkennbaren Sortiments an Röchelgeräuschen äußerte, der sogenannten Bauds. Mitten in diesem Durcheinander: der Cyberspace. So hieß das Internet, ehe sich herumgesprochen hatte, dass es so etwas wirklich gibt. Genauer gesagt: anscheinend wirklich, also: virtuell. Unsere Epoche wird sicher einmal in den Geschichtsbüchern die frühe Scheinzeit genannt werden.

 

Was macht das Netz mit uns? Wenn ich früher etwas in einem Lexikon gesucht habe, ging ich die zwei Meter zum Regal neben meinem Schreibtisch, heute gehe ich in die Wikipedia; die Lexikonbände stehen immer noch da, inzwischen sind sie auf eine neuzeitliche Art versteinert. Es ist ein Sieg der Ferne: „Tele“, der griechische Begriff für „fern“, ist die Leitkennung der neuen Medienerfindungen – Telefon, Television, Telekommunikation. Alle bringen sie uns federleicht hinaus in die Welt und die Welt, die immer mehr eine digitale Welt wird, her zu uns. Und keine vollbringt das so umfassend wie das Netz.

Von Zeit zu Zeit vergewissere ich mich, dass ich immer noch ohne Computer kann. Während ich dann auf einem Blatt Papier schreibe, verspüre ich einen Phantomschmerz, nicht sofort auf eine Datei auf meinem Rechner oder auf etwas Findbares im Netz zugreifen zu können. Ich kenne das Internet noch aus einer Zeit, als Befehlseingaben aussahen als habe man ein eingerolltes Gürteltier über die Tastatur gewälzt. Ich finde es angenehm, dass inzwischen vieles ein bisschen einfacher und flotter geworden ist. Manches wird einem zu leicht gemacht, etwa das Einkaufen. Oh, schon wieder ein Buch zum zweiten Mal gekauft, weil ich vergessen habe, es von meinem Wunschzettel zu löschen. Also erkläre ich meiner Frau, dass es mir nicht um das Buch geht, sondern um den Karton, denn unsere Katzen lieben Kartons, und Bücherkartons bringen ihnen den Duft der weiten Welt ins Haus. Die reisenden Pappkartons sind quasi das Internet für Katzen.

In ihrem Buch „Where Wizards Stay Up Late” über die Ursprünge des Internet schreibt die „New York Times“-Autorin Katie Hafner: „Amerikas Romanze mit den Highways hat nicht damit begonnen, dass jemand Straßen begradigt, asphaltiert und mit Streifen in der Mitte bemalt hat. Sondern damit, dass einer auf den Trichter kam, seine Karre wie James Dean die Route 66 runterzufahren und das Radio laut aufzudrehen und eine gute Zeit zu haben.” Ja, manchmal fühlt es sich einfach gut an, vor einem Bildschirm zu sitzen und ab und zu ein Progrämmchen anzuwerfen und damit durch’s Netz zu brettern.