Unser Kolumnist Mirko Weber erinnert sich an das erste Sonntagsfahrverbot in der Bundesrepublik und erklärt, was das mit Don Camillo und Peppone zu tun hat.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Am ersten Sonntagsfahrverbot der Bundesrepublik, das sagten damals viele im Dorf, Ende November 1973, sei allein Willy Brandt schuld. Das nahm mich schon mal für Willy Brandt ein, aber darauf komme ich demnächst bei anderer Gelegenheit. Ich war jedenfalls zehn Jahre alt, Autos bedeuteten mir nichts, und mitten auf der Autobahn laufen zu können war nun wirklich kein schlechtes Gefühl.

 

Zusätzliche Bedeutung bekam der ominöse Sonntag dadurch, dass im Jugendheim „Don Camillo und Peppone“ gezeigt wurde, wo der Sohn Gottes vom Kreuz herunter mal munter, mal milde monierend, aber durchaus auch missbilligend das Geschehen kommentierte, wie es sich stellvertretend für den Rest der Welt in einem öfter nebligen Nest der Emilia Romagna darstellte. Dort agitierte der kommunistische Parteifunktionär Peppone gegen den Pfarrer Don Camillo, dem er aus vergangenen Partisanentagen jedoch auch wieder herzlich verbunden war – und umgekehrt.

Es geht um Glauben und Gerechtigkeit

Wenn man’s später recht bedachte, wollten beide wohl meistens ungefähr auf das Gleiche raus, aber sie schenkten sich nichts, und es ging auch wirklich um was: Verteilungskämpfe, Glaubenssachen, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Was will der Mensch, was braucht er – und was ziemlich sicher nicht? In den zugrunde liegenden Geschichten von Giovannino Guareschi geht es im Übrigen noch weit wilder zu als die Filme mit Fernandel und Gino Cervi in den Hauptrollen vermitteln wollten: Hier trägt Don Camillo auch mal eine Maschinenpistole aus dem Arsenal von Peppone unterm Talar und muss erst von seinem Herrn angewiesen werden, selbige doch bitte in der Sakristei zwischenzulagern, bevor er unter Leute gehe.

In Deutschland erschienen die ersten Guareschi-Geschichten 1958 bei Rowohlt, kurz bevor Johannes XXIII. ins Amt kam . Seitdem war das, sagen wir, Doncamillohafte nicht mehr übermäßig verbreitet an der Spitze der katholischen Kirche – die Zwölftageshoffnung Johannes Paul I., Sohn einer Arbeiterfamilie, und seinen Nachfolger Karol Wojtyla in seinen Anfängen vielleicht ausgenommen. Nun aber scheint die Zeit der roten Luxusschläppchen, wie sie Benedikt XVI. bevorzugte, definitiv vorbei zu sein. Gut möglich jedenfalls, dass der neue Papst Franziskus, der ja nicht zufällig sein Apostolisches Schreiben in der Woche vor dem ersten Advent publiziert hat, kurz mal in der Sakristei von Don Camillo vorbeigegangen ist. Jedenfalls präsentierte Franziskus eine Botschaft, die es an Schärfe in sich hat, bis hin zu fundamentaler Kapitalismuskritik: „Diese Wirtschaft tötet!“ Der Satz fiel, hoffentlich nicht völlig folgenlos, in den Radionachrichten direkt nachdem den Deutschen – „Jauchzet, Frohlocket!“ - attestiert worden war, sie befänden sich dankenswerterweise wieder einmal mehrheitlich „in bester Kauflaune“.

Das Doncamillohafte des Gotteslobs

Zufällig offiziell genauso alt wie das oben erwähnte Sonntagsfahrverbot, das seinerzeit einer auch schon hübsch hysterisch sich entwickelnden Konsumgesellschaft zum ersten Mal seit dem Krieg ansatzweise eine ökonomische Grenze aufgezeigt hatte, ist das seitdem gebräuchliche katholische Gebet- und Gesangsbuch „Gotteslob“. Es war 1973 einer Revision unterzogen worden, die dafür sorgte, dass man als Gläubiger – anders als in den Jahrzehnten zuvor – auch mal das Bistum wechseln konnte, ohne dass direkt der Eindruck entstand, es werde gleich der Kulturkreis getauscht. Lieder und Texte ähnelten sich einigermaßen, regionale Eigenheiten ausgenommen.

Vom morgigen ersten Advent an wiederum gilt ein neues „Gotteslob“, das laut Deutscher Bischofskonferenz kräftig „entstaubt“ wurde, was ja nur sehr im Sinne des Papstes sein kann. Wie viel Doncamillohaftes, also Unerschrockenes, Widerständiges zum Weltbetrieb, das „Gotteslob“ tatsächlich bereit hält, kann allerdings noch nicht abschließend beurteilt werden. Dieser Teil der Geschichte scheint nun wieder einen fast pepponesken Zug zu haben: Sabotage war sein Kerngebiet. Vermeintlich dunkle Mächte aber sind gar nicht im Spiel. Die Stuttgarter Druckerei sah sich lediglich mit Beschwerden wegen anfangs mangelnder Papierqualität konfrontiert, und liefert jetzt erst nach und nach die Großposten aus. Guareschis Jesus hätte gelächelt. Ließe sich nicht, bis alle so weit versorgt sind, noch einmal ein autofreier Sonntag zusammenbringen?