Manche sind lebenslange Zoogänger, andere kommen nur alle paar Jahre auf die Idee. Aber was machen wir dort eigentlich? Das fragt ich unser Kolumnist Mirko Weber in der letzten Folge seiner Weberei.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Tiergarten. Wann war man da eigentlich zuletzt? Äonen her jedenfalls, dass es fast jeden Samstagmorgen mit den Kindern in die unvergleichliche Wilhelma ging – und sofort hat man wieder diesen wunderbar erdigen Geruch in der Nase: durch die dämpfigen Gewächshäuser hindurch, vorbei an Goethes Gingko Biloba („Dieses Baumes Blatt, der von Osten meinem Garten anvertraut . . .“), und dann zu den Seehunden, immer, immer zu den Seehunden. Später dann ein paar Jahre regelmäßig Tierpark Hellabrunn, Berlin natürlich (Knut!, Herr Dörflein!), dann war man aus der Phase erstmal raus. Leider. Obwohl mache Menschen lebenslang Zoogänger bleiben. Was machen wir da eigentlich? Uns wundern, oder?

 

„Warum sehen wir Tiere an?“ heißt ein Aufsatz des britischen Malers und Schriftstellers John Berger, der unter anderem nahe legt, dass der Mensch sich gerne mit Resten des pur Animalischen beschäftigt, weil er meint, es seien solche Grundstrukturen unter seinesgleichen erfolgreich vertrieben. Umgedreht reicht eine Folge der Serie „House of Cards“ mit Kevin Spacey aus, um diese These mindestens so erfolgreich wieder zu entkräften.

Gnu – ein schöner Name

Besonders die Berliner Schriftsteller Walter Benjamin und Kurt Tucholsky (der sich ja auch Pseudonyme wie Peter Panter und Theobald Tiger zulegte) mochten den Tiergarten, wenn sie in Gedanken waren, um auf andere zu kommen, von Rilke nicht zu reden. Von den Dreien werden alle möglichen Tiere erwähnt, selbst Gnus. Schöner Name: Gnu.

Eisbären hingegen finden – soweit ich weiß – nur Erwähnung bei Vladimir Nabokov in „Lushins Verteidigung“, der Geschichte eines selbst in der Zweisamkeit einsamen russischen Schachspielers, mit der wohl ausführlichsten Schilderung einer Partie (gegen den italienischen Großmeister Turati), die es in der Literatur gibt. Dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird, weiß man freilich schon, als Lushin im Berliner Zoologischen Garten spazieren geht, wo selbst die Eisbären frieren, wie es bei Nabokov heißt.

Zwillinge – eine Sensation!

Davon kann in München-Hellabrunn derzeit keine Rede sein, denn erstens ist es gewohnt weihnachtlich warm bei uns im äußersten Süden, zweitens hat Giovanna, die Hellabrunner Eisbärin, Nachwuchs bekommen – und gleich Zwillinge, was eine ziemliche Sensation ist. In Tiergärten gab es das rund um die Welt noch nie. Am Anfang war nicht sicher, ob die Mutter auch was mit ihrem Nachwuchs anfangen kann, aber Giovanna kann – und wie: sie behandelt die beiden wie Christkinder. Weil die Mutter keinen Menschen auch nur entfernt in die Nähe lässt, ist im Übrigen noch nicht raus, was die beiden für ein Geschlecht haben. Kurios, wenn man bedenkt, dass wir ansonsten mittlerweile fast alles noch in der Sekunde (besser) wissen. Zumindest glauben wir dran.

Einen der größten seiner Bewunderer hatte der Tierpark als solcher im Übrigen im Philosophen Herbert Marcuse, einem Freidenker, den es als Berliner und Emigrant in die weite Welt verschlug, wo er schließlich an der Universität San Diego landete. Gefragt, warum er dort geblieben sei, antwortete er, der Zoo in San Diego habe von allen Zoos, die er kenne, die schönsten Nilpferde. Und die Nilpferde hätten nun mal die tiefsten Gedanken. Vielleicht denken Sie dran, wenn Sie das nächste Mal ein Nilpferd sehen . . .