Er stellt man ihn mühsam auf, und dann kommt er eines Nachts auch noch abhanden: es ist ein Kreuz mit dem Maibaum. Typisch bayerisch, findet unser Kolumnist Mirko Weber.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Falls Sie gerade zufällig in der Toskana waren, an San Giuliano Terme vorbei gekommen sind und sich gewundert haben über dieses Trumm von oberbayerischem Maibaum, das da steht: der ist aus Bad Tölz. Der Drexl Karl hat das 17-Meter-Teil mit dem Tieflader in die Partnergemeinde runtergefahren, der Trachtenverein Kirchstoaner hatte ihn zuvor geschmückt, und in San Giuliano Terme ist dann ein Schild dran gekommen, drauf steht: Gemeinsamkeit macht stark.

 

Insgesamt ist ja Brauchtum, leider oft in einer geradezu pervertierten Form (Touristenwiesn, Billigtracht, Heimatserien in Fantasy-Dialekt), voll im Dauerkommen. Kann ja auch jeder Depp: aufs Volksfest spazieren, ein Gewand anziehen, in das er nicht gehört, und blöd daherreden. Blöd daherreden geht eh immer.

Mit dem Maibaum allerdings ist die Sache dann doch komplizierter, denn hier geht gar nix schnellschnell („Was is’ denn mit dem Internet?“ „Jetzt hängt er wieder!“), sondern nur mit Bedacht, Geduld und Geschick – und mit List und Tücke.

Da hilft die wachste Maibaumwache nichts

Jetzt, wo die Maibäume endlich stehen, ließe sich vielleicht doch zugeben, dass im Vorhinein eine gewisse Unruhe um sich greift bei den Beteiligten, spätestens wenn die Fichte gefällt und geschepst ist und irgendwo liegt, im Wald. Was keiner sonst weiß, außer ein paar Männern. Denken die. Schlimm ist, wenn der Maibaum weg ist, bevor er seiner wahren Bestimmung mitten im im Ort zugeführt werden kann. Ethnologen verpacken den als Volkssport betriebenen Maibaumdiebstahl gerne rhetorisch als „Raub der Segenskraft“. Aber das ist wirklich sehr vorsichtig ausgedrückt.

Was hilft? „Maibaumwachen“, sagt Peter Schröfl von den Unterbrunner Burschen, einer Gruppierung, gegen die wahrscheinlich sogar Frank Sinatra beziehungsweise George Clooney und seine „Ocean’s Eleven“-Leute den Kürzeren gezogen hätten. 61 Bäume haben die Unterbrunner in den vergangenen Jahren erbeutet, weil Maibaumwachen halt oft so ausschauen, dass die Leute in viel zu kalten Aprilnächten viel zu viel kaltes Bier trinken. Und schon sind die Unterbrunner da. Knacken die Alarmanlagen, entsichern die Stadel. Einmal, erzählt Schröfl immer wieder gerne, seien sie mit 60 Mann vollkommen stad in einem Schuppen gehockt, durch dessen Ritzen alle Viertelstunde einer mit der Taschenlampe leuchtete. Als er das nächste Mal fünf Minuten weg war, gab es zwar noch einen Schuppen, aber keinen Baum mehr. Das kostet ordentlich Auslöse. Als 2004 eine Rentnergang auf der Zugspitze(!) den Baum hat mitgehen lassen – mit dem Hubschrauber – forderten sie vier Saisonkarten für die Zuspitzbahn und nicht zu knapp Brotzeit und zu trinken. Verweigern sich die Bestohlenen, droht die Aufstellung des Schandbaums, der wildwestartig geteert und gefedert wird.

Maibaumtransporte sind völlig legal

In Ingolstadt haben jetzt die Maibaumdiebe aus dem Pflegeheim Bienengarten dem Pflegeheim Matthäusstift geradezu kommod den Baum entwendet, nachdem sie bei ihren eigenen Leuten eine Reihe von Rollatoren ausgeliehen hatten. Sobald der Baum vom Hof ist, ist es nämlich aus. Noch nicht mal die bayerische Polizei kann da was machen. Maibaumtransporte sind völlig legal im freistaatlichen Straßenverkehr.

Triumphal kehrten also die Bienengärtner als Sieger heim. Danach baten die Senioren zur Kasse. Ihr Lohn waren ein Spanferkel und 50 Liter Bier. So gesehen steht San Giuliano Terme noch allerhand bevor.