Die vielen Ernährungsexperten im TV verursachen unserer Kolumnistin Sybille Simon-Zülch Bauchschmerzen.

Stuttgart - Zwei Herren mittleren Alters stehen im Studio des WDR und machen ernste Mienen. Vor ihnen, auf dem Tisch: Weintrauben, Bananen, Äpfel, Kiwis, Chipstüten, Bockwürste, Vollkornbrot, Sahnetörtchen. Ob die beiden das alles jetzt essen wollen? Nein. Eine elementare Frage treibt die zwei Herren um: „Warum macht Zucker dick?“. „Insulin macht uns dick“, sagt der eine („uns“? Die beiden sind doch gar nicht so dick). Der andere gibt zu bedenken: „Es gibt guten und schlechten Zucker. Aber besonders gefährlich ist der versteckte Zucker.“

 

Am gleichen Abend um 20.15 Uhr machte sich Tim Mälzer in der ARD an einen „Ernährungs-Check“, unterstützt von Professor Peter Nawroth, einem der „führenden Stoffwechselexperten Deutschlands“, der die These vertritt, dass nicht der Vitamin-, Fett- oder Ballaststoffgehalt unserer Nahrung Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Entscheidend sei vielmehr die Menge an Kalorien, die wir zu uns nehmen. Wer hätte das gedacht.

Was passiert im TV eigentlich mit den Lebensmitteln

Leider war Sandra Maischberger am Dienstag nicht auf der Höhe dieser Aktualität. Sie hatte Costa Cordalis zum Thema „Griechen bankrott – Deutsche zahlen trotzdem?“ eingeladen, anstatt mit einer weiteren Talkshow zu ihrem permanent wiedergekäuten Lieblingsthema noch mehr Verwirrung zu stiften. Am 24. Januar wollte sie wissen: „Die dicksten Diätlügen – was macht wirklich dünn?“ Am 21. Februar stellte sie schon wieder die Frage: „Der Glaubenskrieg – Gibt es kein gesundes Essen?“

Und wer fragt uns, ob uns nicht langsam die Galle überläuft, der Magen rebelliert, die Fettpolster schwabbeln oder gar die Bulimie befällt beim Anblick all dieser einander widersprechenden „Ernährungsexperten“, die heute mit dieser, morgen dann wieder mit jener „Theorie“ hausieren gehen? Und was passiert eigentlich mit den im Studio zur Illustration aufgeschichteten Butterbergen, den fetten Würsten, den Frikadellen und Sahnekuchen, wenn die Sendungen zu Ende sind? Landen diese in der Scheinwerferhitze ungenießbar gewordenen Lebensmittel im Müll? Oder werden sie Gegenstand des nächsten „Haltbarkeits-Check“, in dem man uns dann wieder vorwurfsvoll belehrt, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben und ständig Lebensmittel wegwerfen, bloß weil wir sie nicht sachgemäß aufbewahrt haben?

Es sind ja aber nicht nur Lebensmittel, die unter dem Scheinwerferlicht verderben. Es können auch ganze Sendungen, sogar große Entertainer wie Thomas Gottschalk sein, die plötzlich auf Pfützengröße schmelzen, weil sie mit dem Scheinwerferlicht im Studio ganz alleine bleiben. Obwohl sie früher selbst wie Scheinwerfer strahlten und alle anderen in ihrer Nähe bis zur Bedeutungslosigkeit geschmolzen sind.

Gottschalk wird die Schau gestohlen

Ich habe jetzt aber keine Lust, mit den Wölfen an der Pfütze „Gottschalk live“ zu schlabbern. Dazu müsste ich die Sendung mal ganz gesehen haben. Habe ich aber nicht. Es macht mich zu nervös, wie Gottschalk seine Gäste dauernd unterbricht, nicht zuhört, Fragen stellt und dann in die Antwort reinquatscht. Erstaunlich allerdings, wie er sich als Gast in Frank Plasbergs Talkshow „Hart aber fair“ zum weltbewegenden Thema: „Berühmt um jeden Preis – Wie viel Öffentlichkeit verträgt der Mensch?“ auf einmal wieder von der Pfütze in einen breiten Fluss verwandelt hat: witzig, schlagfertig, konzentriert. Und nur Gottschalk kann, ohne dass es eitel wirkt, von sich behaupten: „Wenn ich dringend auf die Toilette muss, kann ich in jedem deutschen Haushalt klingeln, und darf rein.“

Trotzdem hat ihm ein anderer bei Plasberg die Schau gestohlen, wenn auch unfreiwillig: Hellmuth Karasek. Ihm hatte Plasberg das iPad vor der Sendung weggenommen, was vermuten ließ, Karasek hätte sonst andauernd störend, wenn nicht gar wichtigtuerisch, damit herumgespielt. Am Ende bekam er es zurück, mit der Bitte, den Geburtsort eines anderen Gasts, Ross Antony, zu googeln. Und wie Karasek, so hilflos wie ergebnislos, sein iPad betapste, mal vertikal, mal horizontal gehalten, ratlos seine Nebensitzer um Unterstützung bittend – und schließlich kleinlaut gestehen musste: „Ich habe es nicht gefunden“ – das war großes Opakino. Übertroffen nur noch von einem eingespielten Interview, das die Satiresendung „Extra 3“ vor einem Jahr mit Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien, geführt hat. Frage: „Angenommen, das Internet ist voll. Wo sollen die Daten dann zwischengelagert werden?“ Bernd Neumanns Antwort: „Ganz schwierige Frage. Wie das im Einzelnen zu regeln ist, weiß ich nicht. Wann das Internet voll ist, kann ich so nicht beantworten.“ Aber die Ernährungshilfesendungen, von denen das Fernsehen voll ist, könnte man ruhig mal zwischenlagern.