Eine Party nur intern genießen? Fast scheint es, als könne man ohne gleichzeitige Außendarstellung via Whatsapp, Twitter und Facebook nicht mehr feiern. Comedian Dominik Kuhn sprach bei der Filmschau über „asoziale Medien“.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Zur späten Stunde geht Dominik „Dodokay“ Kuhn, der den Großen dieser Welt Schwäbisch beibringt, ob Obama oder Merkel, auf eine Schwäbin zu, die es von alleine kann. Trudel Wulle braucht keine Mundart-Nachhilfe. Seit seiner Kindheit verehrt der Produzent von schrägen Neusynchronisationen die 92-jährige Schauspielerin – nach der Uraufführung von „Laible und Frisch – Do goht dr Doig“ bei der Filmschau noch mehr. „Trudel, du warschd die Beschde“, lobt Comedian Kuhn bei der Premierenfeier im Foyer des Sponsors Volksbank. Die Frau des beliebten Walter Schultheiß spielt in der Bäckerstory eine technikverrückte Alte – nach dem Vorbild der Mrs. Wilhelmina Packard aus dem Disney-Film „Atlantis“.

 

Laut Platon wurde die Insel Atlantis in einem Tag durch Naturgewalten zerstört. Seit der Antike wird über den Wahrheitsgehalt dieser Legende gestritten. Sind die uralten Überlieferungen nur Fake-News?

Wo man auch ist – ständig wird auf Displays gestarrt

Eines steht fest: Fake-News, Bilderfluten im Netz, fortwährendes Glotzen aufs Handy, die ständige Bereitschaft zum Antworten – all dies gab es zu Atlantis-Zeiten nicht. Kuhn, bekannt für Späße, wird ganz ernst, wenn er darüber spricht. Der 47-jährige Chef der Firma Starpatrol Entertainment beklagt einen „Kommunikations-Overkill“.

Um uns herum werden Selfies mit den Stars aus dem „Laible und Frisch“-Spielfilm gemacht – da spricht Dodokay über sein neues Projekt. Ein Buch über die „asozialen Medien“, wie er sie nennt, will Kuhn schreiben. Schon jetzt hält er Vorträge zu diesem Thema, das ihn umtreibt. „Der Drang, immer und überall erreichbar zu sein, immer und überall ungefragt seine Meinung in die Welt zu blasen, macht krank“, warnt er.

Wo man auch ist – ständig wird nach unten auf Displays gestarrt. Das hat was Zwanghaftes oft – schon morgens in der S-Bahn. Fast jeder macht an seinem Handy rum. Vielen fällt es leichter, mit Mitmenschen zu chatten als mit ihnen zu sprechen.

„Soziale Netzwerke machen auf Dauer einsam“

Doch jetzt wird small-getalkt im Bankfoyer, in das ein roter Teppich führt, in dem DJ Wim Gutmann bei buntem Licht für die Macher des Films sowie für die Gäste des Hausherrn Hans Rudolf Zeisl, des Vorstandschefs der Stuttgarter Volksbank, auflegt. Entertainer Michael Gaedt fotografiert sich und andere immer wieder mit ausgestreckter Hand von oben. Dodokay macht dies nicht. Was findet er an Twitter, Facebook und Instagram asozial? „Die digitalen Portale kappen den direkten Draht zueinander“, antwortet er, „sie machen auf lange Sicht einsam.“ So werde das soziale Miteinander gefährdet, findet Kuhn, weshalb der Begriff asozial zutreffe. Der schnelle Zugang zu den neuen Kommunikationswegen führe dazu, dass „jeder Bockmist“ gepostet werde, sei er privat oder geschäftlich. Sobald „ ein Hirnfurz“ durch den Kopf schieße, lasse man ihn in die digitale Welt raus. „Besser wäre, erst mal darüber nachzudenken, ob die Gedanken Sinn machen, ob das jemanden interessiert“, findet er.

Die Gegenbewegung heißt Digital Detox

Ein Steinzeitmensch ist das schwäbische Stimmenwunder nicht. Nicht alles sei schlecht an den neuen Techniken. Gegen Narzissmus habe er nichts, versichert Kuhn: „Ohne die Liebe zum eigenen Ich würden wir nicht überleben.“ Soziale Medien funktionierten so gut, weil sie diesen Narzissmus bedienten. Nichts geschehe durch Zufall, sondern helfe dem Kommerz. Whatsapp habe das System der zwei Häkchen eingeführt, damit noch mehr Nachrichten hin- und hergeschickt werden. Man fühle sich damit unter Druck, antworten zu müssen.

Nicht das Ende der digitalen Technik fordert Kuhn, sondern den richtigen Umgang damit. Digital Detox heißt die Gegenbewegung, die auf digitale Entschleunigung setzt. Bei der Premierenparty hab ich Glück – meine Detox, meine Entgiftung, kommt von ganz allein, als mein Akku leer ist. So kann ich gar nicht schauen, welche Zahl an meiner neuen Whatsapp-Gruppe steht, zu der man mich unfreiwillig hinzugefügt hat.

Mit Monika Hirschle – anders als im Film gibt es sie auch in nüchtern – rede ich über bayerische Heimatfilme, die bundesweit viel erfolgreicher sind als Schwabenfilme. Woran liegt’s? „Schwaben sind zu bescheiden“, antwortet die beliebte Schauspielerin.

Die Welt isch a Dorf

In dieser Nacht aber ist die Bescheidenheit abgelegt. „Hollywood in Stuttgart“, steht in Facebook-Beiträgen zur Filmschau. Nicht nur eine Premiere habe man gefeiert, sondern eine „Weltpremiere“ – als ob die Welt auf die Schwabensaga gewartet habe.

Mrs. Trudel Packard, sorgen Sie mit Ihren Computertricks fürs weltweite Interesse! Übernehmen Sie! Denn die Welt isch a Dorf.