Deutsche Fußball-Torhüter strahlten früher die größtmögliche Sicherheit aus. Damit ist es vorbei. Eine Bundesliga-Kolumne von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Land der Dichter und Denker, das war Deutschland irgendwann einmal. Heute passt wohl eher: Land der Richter und Banker. Juristen und Finanzexperten sind hierzulande schon lange weitaus gefragter als Lyriker und Philosophen, die ja im Schnitt auch weit geringere Verdienstmöglichkeiten besitzen. Was reimt sich noch auf Dichter und Denker? Irrlichter und Blender, oder. . . Egal.

 

Deutschland war ja auch einmal das Land der Fußball-Torhüter. Eine Tradition, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Toni Turek begründet wurde, der mit seinen Paraden viel zum deutschen WM-Sieg 1954 beitrug. Oder Bernhard „Bert“ Trautmann, der nach seiner Zeit als Kriegsgefangener in England blieb und bei Manchester City zu einer Legende wurde. Neben seinen Leistungen in 508 Spielen zwischen 1948 und 1964 trug dazu maßgeblich das englische Pokalfinale 1956 bei, in dem „Traut the Kraut“ einem Genickbruch zum Trotz weiterspielte und den Sieg gegen Birmingham festhielt. Derzeit kann man sich im Kino das filmische Denkmal anschauen, das Trautmann vom Regisseur Marcus H. Rosenmüller gesetzt wurde.

In deutsche Torhüter wurde früher häufig etwas Heldenhaftes hineininterpretiert. Sepp Maier war in den 1970er-Jahren das große Idol zwischen den Pfosten, während sich die zeitgleich ebenfalls herausragenden Kollegen Norbert Nigbur, Wolfgang Kleff, Bernd Franke und Rudi Kargus in der Nationalmannschaft hinter dem bayerischen Platzhirsch anstellen mussten. Die Bundesliga war damals eine Ansammlung großartiger Schlussmänner, wenn einer von ihnen mal ein vermeidbar erscheinendes Tor kassierte, lag der Bestechungsvorwurf in der Luft. So wurde Kölns Keeper Wolfgang Manglitz im Zuge des Bundesliga-Skandals gesperrt.

Es folgten weitere große Könner ihres Fachs. Toni Schumacher, Eike Immel, Uli Stein und Bodo Illgner. Weiter ging es mit dem Duell der fangsicheren Egomanen Oliver Kahn und Jens Lehmann.

Alexander Schwolow scheint zurzeit der beste deutsche Bundesliga-Torhüter zu sein

Die großen deutschen Torwartzeiten sind vorbei, seitdem der einst so grandios haltende Manuel Neuer in der Dauerkrise ist. In der Bundesligatorhüter-Notenrangliste des Fachmagazins „Kicker“ belegt der an diesem Spieltag wadenverletzte Neuer aktuell nur Platz 13. Auf den ersten drei Plätzen stehen Peter Gulasci (Ungarn/RB Leipzig), gefolgt von den beiden Schweizern Roman Bürki (Dortmund) und Yann Sommer (Mönchengladbach). Danach erst kommt in Alexander Schwolow ein Deutscher. Der Freiburger hatte am Samstag dann auch maßgeblichen Anteil daran, dass der SC Freiburg zu einem 1:1 gegen den FC Bayern kam

Aus Barcelona hört man immer wieder, dass dort die deutsche Nummer zwei, Marc-André ter Stegen, außergewöhnliche Dinge zwischen den Pfosten vollführt. Leider sieht man das aber nicht beim Blick auf die Bundesliga. Dort hat sich das Leben des Torwarts komplett verändert. Der heißt ja mittlerweile Torspieler, weil er als Folge der Rückpassregel den Ball ständig mit dem Fuß annehmen und verteilen muss. Früher war eine händische Strafraumbeherrschung gefragt, da pflückten die Torhüter die Bälle im Minutentakt herunter. Das sieht man heute praktisch gar nicht mehr, was wohl auch an der höheren Geschwindigkeit liegt, mit der die Kugel in den Strafraum geflankt wird.

Der deutsche Torwart von heute fühlt sich bei Flanken oder Ecken auf der Linie wohler. Und er liebt die dramatisch wirkenden Showflugeinlagen. Viel davon könnte man auch unaufgeregt im Stehen parieren. So wie einst Bert Trautmann.

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