Joachim Löw sollte sich künftig weniger um sich selbst und dafür mehr um den deutschen Fußball kümmern. Eine Kolumne von peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Nur noch mal ganz kurz zur Erinnerung. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt derzeit in einer Liga mit Ägypten, Marokko, Australien, Island, Costa Rica, Panama und Polen. Der letzte Platz in der WM-Vorrundengruppe wurde übrigens sowohl vom ägyptischen als auch vom costa-ricanischen Fußball-Verband als so große Schmach empfunden, dass die Trainer Hector Cuper und Oscar Ramirez sofort entlassen wurde. Im Unterschied dazu bettelte der Deutsche Fußball-Bund nach Vorrundenplatz vier hinter Schweden, Mexiko und Südkorea darum, dass Joachim Löw doch – bitte, bitte, bitte – weitermachen möge. Der Bundestrainer musste sich das erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Dazu setzte er sich in ein Freiburger Straßencafé, trank Espresso und ließ dazu nachdenklich seinen Blick durch die Ray-Ban-Sonnenbrille in die Altstadtgassen schweifen. Wenn sie mich so nett fragen, wird sich Löw dabei gedacht haben, dann mach’ ich halt weiter. Dabei scheint er auch zu dem Fazit gekommen zu sein: Das Problem kann schließlich nur einer lösen. Sein Name fängt mit „J“ an und hört mit „ogi“ auf.

 

Diese Sicht der Dinge wäre allerdings der völlig falsche Ansatz im Zuge einer WM, die doch in aller Deutlichkeit gezeigt hat, dass der deutsche Löw-Fußball nicht mehr höheren Ansprüchen genügt. Gleichzeitig sollten wir Deutschen jetzt ganz schnell von unserem hohen Fußballross runter. Dieser Satz ist all denen gewidmet, die beim WM-Büro-Tippspiel auf Deutschland als Weltmeister und auf Timo Werner als Torschützenkönig gesetzt haben. Der ist als Außenstürmer übrigens viel besser aufgestellt als im Zentrum

Joachim Löw war einmal ein sehr moderner Trainer

Womit wir bei der Schuldfrage sind, warum Deutschland gerade sehr weit entfernt davon ist, das Maß aller Fußball-Dinge zu sein. Ganz einfach: weil Joachim Löws Taktik nicht aufgegangen ist. Sein Mantra vom Ballbesitzfußball hat sich in Russland als Irrglaube herausgestellt. Löw hat die enorme Bedeutung von schnellen Flügelspielern genauso unterschätze wie die von Standardsituationen. Die Engländer haben zum Beispiel nicht nur Elfmeterschießen geübt, sondern auch beeindruckende Eckball- und Freistoßvarianten einstudiert. Da wirkt das deutsche „Arm hoch – Ball kommt hoch“ doch eher antiquiert.

Fast könnte man es vergessen: Joachim Löw war mal ein sehr moderner Trainer, zuletzt hat er sich aber vor allem intensiv mit der eigenen Denkmalpflege beschäftigt. Die Lotion vom Werbepartner Nivea drauf und gut ist. Von wegen.

Etwas mehr Demut ist aber auch in anderen deutschen Fußballbereichen geboten. Denn nicht nur mit der Mannschaft, sondern auch mit den Schiedsrichtern ist es nicht mehr so weit her. Felix Brych schied ja schon nach einem Spiel aus. Das war sicher kein leichtes (Schweiz gegen Serbien, der Fifa aus dieser Ansetzung aber antideutsche Boshaftigkeit zu unterstellen, klingt doch eher absurd. Und dann noch der Videobeweis. Hat der in der Bundesliga am Ende der einjährigen Testphase immer noch nicht geklappt, funktioniert das technische Hilfsmittel bei der WM auf Anhieb. Seltsam.