In einer Disziplin bleibt Deutschland Weltmeister: Sportmoderatoren beleidigen. Dabei sind einige von ihnen echte Poeten.

Stuttgart - Saustark. Im Kommentarspalteninternet freuen sich Männer gönnerhaft, dass in Saudi-Arabien endlich auch Frauen ein Auto lenken dürfen – und bekommen dann Schnappatmung, weil Claudia Neumann zur besten Sendezeit im ZDF annähernd so viel Stuss wie Steffen Simon drüben in der ARD erzählen darf. Als wären Fußballspiele im Fernsehen bisher ausschließlich von eloquenten Literaturnobelpreisträgern kommentiert worden.

 

„Man wird ja wohl noch sach- und fachliche Kritik äußern dürfen“, mahnen übereifrige Deckochsen gerne. Da haben sie natürlich vollkommen recht. Männlichen Kollegen wird ähnlich viel Bockmist hinterhergeworfen, jedoch selten als Conclusio die Arbeit am Herd oder in einem Bordell empfohlen. Gleich morgen werde ich sachlich ins Internet brüllen: „Der Steffen Simon hat sich doch hochgebumst!“ Seinen besten Satz, so stand im Internet, habe Steffen Simon kürzlich vermutlich selbst nicht bemerkt: „Walker kann nicht mehr laufen“, attestierte er zweisprachlich wasserdicht dem englischen Abwehrspieler Kyle Walker. Etwas Poesie ist nie verkehrt.

Sportmoderator Werner Hansch vermisse ich von der Poesie her und von ganzem Herzen. Der Ruhrpott-Romantiker erzählte Sachen wie: „Ohoho, da küsst der Ball die Latte!“ oder „Meine Damen und Herren, Christoph Daum ist sauer. Ui, ist der wütend. Mein Gott, der wirft gleich Blasen.“ Wenn Hansch spricht, würde ich sogar Springreiten im Fernsehen anschauen.

Béla löst Alarmanlagen aus

Auf den Kommentator Béla Réthy möchte ich bei der Gelegenheit auch nichts kommen lassen. Vor einiger Zeit traf ich den zufällig vor einer Kneipe in Köln. Wir redeten, weil außer uns gerade niemand vor der Kneipe Zigaretten rauchte und es mir unhöflich erschien, sich da anzuschweigen. Einen Moment lang hatte ich überlegt, ihn Marcel Reif zu nennen – traute mich aber nicht: Reif wirkt immer etwas angespannt. Kurz schaute noch die Wirtin bei uns vorbei und bat uns, der Nachbarn wegen, etwas leiser zu reden. Noch bevor sie fertig war, entschuldigte sich Réthy für uns beide und gelobte sofortige Besserung.

Die Sache ist die: Selbst wenn Réthy leise redet, fürchtet man, die Alarmanlagen parkender Autos könnten gleich loshupen. Der Mann spricht mit so viel Bass in der Stimme – die Tontechniker drehen das wahrscheinlich raus, wenn er im TV redet. Sonst würde zu Hause der Fernseher von der Kommode fallen. Und das gäbe dann richtig Bambule: „Réthy raus! Der hat gestern meinen Flatscreen vom Regal gebrummt.“ Eine andere Angst treibt mich auch um. Er erzählt oft unsinniges Zeug, ich befürchte, er könne irgendwann sagen: „In Köln hat mich mal ein Idiot gebeten, die Getränkebestellung zu kommentieren: Bier von links, kommt stramm ins Thekenfeld, er nimmt dankend ab und haut das Ding humorlos rein.“ Damals sagte Réthy: „Aww, da ist das Ding!“ Super.

Doch die Zahl derer, die 90 Minuten reden können, dabei geistreich und auch witzig sind, ist hierzulande seit dem Tod von Roger Willemsen auf einem Rekordtief angekommen. Erste private Hochrechnung: null. Zumindest der mieseste Kommentator dieser Weltmeisterschaft wäre mittlerweile allerdings ermittelt: Oliver Bierhoff.