Journalisten wie Teilnehmer wurden bisher auf internationalen Konferenzen mit Papier zugeschüttet. In Rio läuft alles elektronisch – begleitet von Spielereien.

Rio de Janeiro - Rio+20 ist eine weitgehend papierlose Konferenz. Früher war das Pressezentrum von großen Konferenzen Schauplatz gewaltiger Materialschlachten: Kartonweise wurden die Terminankündigungen, Pressetexte, Lobbyisten-Verlautbarungen morgens angeschleppt und ausgelegt, ein Teil wurde gelesen, und ein Großteil wurde abends in Mülleimern wieder hinausbefördert. Jetzt in Rio haben alle ihre hundert Gramm Elektronik in der Hand- oder Hosentasche. Da erscheint das Wichtige genauso wie das Unwichtige auf dem Display. Im Pressezentrum muss man leibhaftiges Papier richtig suchen.

 

Und wie bringt man dem Publikum vor Ort, das nicht direkt mit Rio+20 zu tun hat, die Ziele dieses Ökogipfels nahe? Papierlos natürlich, und spielerisch. Das Büro der Vereinten Nationen in Rio hat sich eine schicke Aktion ausgedacht – oder ausdenken lassen - , die unter dem Motto “Eu sou nós” steht, also so etwas wie “ich bin wir”. Im Erdgeschoss des Museums für moderne Kunst, gleich neben dem Alternativ-Gipfel, stehen Schautafeln mit brasilianischen Prominenten, die auch erklären, wir zu sein: Das Model Gisele Bündchen, der Schriftsteller Paulo Coelho, der Architekt Oscar Niemeyer, der Fußballer Ronaldo. Über riesige Bildschirme huschen Kinderzeichnungen und Naturfotos, es flimmert an allen Ecken und Enden - und wie wird aus einem Ich ein Wir?

Dazu gibt es eine Art Roulette-Rad, und wenn man das dreht, zeigt es eines der Probleme an, um die es bei der Konferenz geht. Also Energie, Ernährung, Wasser, Arbeitsplätze und so weiter. Ein Pulk studentischer Helfer stürzt, kaum dass jemand an dem Rad dreht, hinzu und übergibt dem Dreher einen selbstklebenden Notizzettel in der Form einer Glühbirne, auf den man nun einen Wunsch zu dem Problemfeld schreiben darf, das einem das Glücksrad zugewiesen hat. Diesen Selbstkleber pappt man auf eine Stellwand, auf der lauter negative Begriffe stehen. Nach und nach werden also Arbeitslosigkeit, Tsunami, Umweltverschmutzung, Kriminalität und so weiter von lauter positiven Glühbirnen überdeckt. Zum Thema Wasser steht zum Beispiel “saubere Flüsse!” auf der Wand. Oder “angenehme Strände!” Oder “kristallklares Wasser!” Nett, nicht?

Eine Gesellschaft, die sich noch angesichts ihres drohenden Untergangs amüsieren will – so könnte man das Spielchen bezeichnen. Aber wir wollen nicht zu barsch sein. Wir verleihen einfach den ersten Preis für das überflüssigste Nebenereignis der Umweltkonferenz Rio+20 an “Eu sou nós”. Und dabei denken wir mit einer gewissen Wehmut an das gute alte, auf grauem Umweltpapier gedruckte Flugblatt zurück.