Das Leben lässt sich als Komödie ertragen, sagt Peter Lenk, den man Skandal-Künstler und Hofnarr nennt. Seine S 21-Skulptur kommt nun in den Gemeinderat. Stuttgart sollte wieder Spaß am Lachen haben, findet unser Kolumnist Uwe Bogen.
Stuttgart - Nopper! Wo ist der Nopper? Unter den etwa 150 nackten Figuren der Skulptur von Peter Lenk, die einen Jahrhundertstreit in satirischer Puttenform dokumentiert, hat sich der Stuttgarter OB selbst nicht gefunden. „Aber der Pätzold ist drauf“, sagt Frank Nopper, also Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne).
Einst als erster Backnanger nahm Nopper nur eine Randrolle beim Kampf um das Bahn- und Immobilienprojekt S 21 ein. Dies könnte sich nun ändern. Beim Streit um den schwäbischen Laokoon, der seit Oktober am Stadtpalais steht und Ende Juni abgebaut werden soll, ist er zum Protagonisten geworden. „Vielleicht bin ich bei Herrn Lenk auch noch dran“, sagt der OB und lacht.
Lenk wollte dem OB Frank Nopper eine Medaille schenken
Der Künstler wie der Politiker – beide lachen gern. Wäre also lustig geworden am Freitagnachmittag im Europaviertel. Nopper wollte den Bildhauer auf dem Stockholmer Platz davon überzeugen, dass dieser Standort super sei für die Skulptur. Doch der CDU-Mann ließ das Treffen am Tag davor platzen. Er ahnte wohl, dass der Künstler seine Späße über ihn machen wollte – vor Medienleuten, die Lenk informiert hatte. Mit launigen Worten wollte dieser dem OB eine Silbermedaille schenken, auf dem die brisante Skulptur abgebildet ist. Motto: Wer zuletzt lacht, lacht am besten – und goodbye, Stuttgart!
Fans der Satire-Kunst fragen: Hat Nopper befürchtet, vom Künstler vorgeführt zu werden? „Aber nein!“, widerspricht dieser. Die Debatte über den Verbleib der Leihgabe habe nun aber solche Dimensionen angenommen, dass man die Sache politisch klären müsse – ein Fall für den Gemeinderat soll Peter Lenk nun werden. Vielen ist in dieser Sache das Lachen vergangen. Am nächsten Mittwoch, 8 Uhr, wird der Verwaltungsausschuss über die Satire-Kunst beraten. Lenk ist dazu eingeladen, auch zur Übernachtung im Hotel in der Nacht davor, und darf reden.
Als Provokateur ist der Bildhauer ein absoluter Profi
Der 1947 geborene Bildhauer, der an der Kunstakademie in Stuttgart studiert hat, ist als Provokateur ein Profi. Am Bodensee stehen etliche Kunstwerke von ihm, die erst heftig abgelehnt wurden wie die Imperia im Hafen von Konstanz, dann aber zu Touristenmagneten geworden sind. Frank Nopper, der im Streit um S 21 wohl als Versöhner in die Geschichtsbücher eingehen will, stellt gegenüber unserer Zeitung klar, dass er die Skulptur in Stuttgart unbedingt behalten will. Den Standort im Europaviertel bei Bibliothek und Bahnhof hält er für besonders geeignet. „Bald werden dort noch viel mehr Menschen unterwegs sein“, sagt er.
Lenk lehnt diesen Plan ab. Ein Kunstwerk müsse sich in die Umgebung einfügen. Bestandteil seiner Skulptur seien Putten, die zum Stadtpalais, dem historischen Gebäude, passen würden, nicht aber zur neuen Architektur im Europaviertel. Obendrein könne man den Bonatz-Bau dort gar nicht sehen. Den Vorschlag von Veronika Kienzle (Grüne), seine Satire-Kunst auf dem Platz der Werbesäule beim Stadtpalais aufzustellen, begrüßt der 74-Jährige ausdrücklich.
Giese reagiert auf Lenks Kritik „ohne Trotz und Wut“
„Dies geht leider nicht“, hält Museumschef Torben Giese dagegen. Im Februar beginnen die Bauarbeiten vor seinem Haus. Rechts vorm Palais, am Eck bei der Kreuzung, ist ein Kombibauwerk mit Bushaltestellenhäuschen, Abluftkamin, SSB-Halte-stelle und Stadtpalais-Banner geplant.
„Ratlos“ macht es Giese, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen, warum die Skulptur nicht auf Dauer bleiben könne. „Wir haben bereits drei Monate verlängert“, sagt er. Von Anfang an sei geplant gewesen, die „Entgleisung“ auf Zeit zu zeigen. Man brauche den Platz, um ihn immer wieder neu zu bespielen, um im Wechsel zu zeigen, was in Stuttgart Stadtgespräch ist, was die Menschen umtreibt. Deshalb habe man den Laokoon unbedingt auch hier präsentieren wollen. Auf Lenks Kritik, marinierte Steaks bei Grillevents seien ihm wichtiger als die Auseinandersetzung mit S 21, reagiert er „ohne Trotz oder Wut“. Dies stimme halt einfach nicht. Bei „Stuttgart am Meer“ könnten die Gäste grillen und öffentlich kochen, was sie wollten. „Wir stellen keine marinierten Steaks hin.“ Dies sei zu einem absoluten Publikumshit beim jungen Teil Stuttgarts geworden. „Man muss auch an die jungen Leuten denken“, findet er.
Zaubert die Rathausspitze einen neuen Standort hervor?
Das Lenkmal versteht sich als Komödie. Bei dem Werk, das die einen bejubeln, die anderen ablehnen, geht es um Demokratie. Zur Demokratie gehört der Kompromiss. Vorm Schlussakt der Komödie wird nun gerätselt: Könnte der Kompromiss lauten, dass die Skulptur bis zum Start der Bauarbeiten am Stadtpalais bleibt und der Stuttgart-Strand eben reduziert wird? Oder zaubert die Rathausspitze einen neuen Standort hervor? Ein Happy End gab es bei fast allen Streitfällen im künstlerischen Leben von Peter Lenk. Jetzt ist Stuttgart am Zug – hoffentlich mit etwas Leichtigkeit, auf dass alle wieder Spaß am Lachen haben.