Am Mittwochmorgen wird die Raumsonde Rosetta den Landeroboter Philae sachte abstoßen. Langsam wird er auf den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko fallen und dort, wenn alles gut geht, sieben Stunden später landen. Für die Forscher geht es um alles oder nichts.

Stuttgart - Als die Amerikaner vor zwei Jahren auf dem Mars landeten, sprachen sie von sieben Minuten des Schreckens. So lange mussten die Piloten im Kontrollzentrum bangen, ob auch alles gutgeht. Eingreifen können sie nicht mehr, weil die Funksignale zu lange brauchen würden. Der Roboter Curiosity wurde damals von Raketen einige Meter über dem Marsboden in der Schwebe gehalten und von einem Kran abgeseilt. Die europäische Raumfahrtagentur (Esa) kann dieses Manöver nun toppen: Sie plant sieben Stunden des Schreckens. So lange wird es am Mittwoch dauern, bis der Roboter Philae auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko gelandet ist. Das erlösende Funksignal für die Piloten wird gegen 17 Uhr erwartet.

 

Es ist das erste Mal, dass ein Raumschiff auf einem Kometen landet. Die bisherigen Kometenmissionen waren eher konfrontativ. Die Nasa ließ am amerikanischen Unabhängigkeitstag 2005 ein Projektil in den Kometen Tempel 1 einschlagen, um die Staubwolke zu untersuchen. Die europäische Sonde Giotto wurde 1986 wiederum von einem Körnchen des Kometen Halley getroffen. Die Kamera ging dabei zu Bruch. Philae soll hingegen sanft landen – mit einer Geschwindigkeit von nur wenigen Stundenkilometern. Alles andere wäre fatal, weil der vier Kilometer große Komet nur eine geringe Schwerkraft hat. Würde Philae hart aufschlagen, würde der Roboter zurückprallen und im All verschwinden. An seiner Oberseite hat er eine Düse für einen kurzen Luftstoß, um sich an die Oberfläche zu drücken. Damit gleicht er den Rückstoß der Harpunen aus, mit denen er sich im Kometenboden verankert.

Hoffentlich kippt der Roboter nicht um

Abgesehen davon, dass die Harpunen oder die Düse versagen können – sie konnten schließlich während des mehr als zehn Jahre dauernden Flugs zum Kometen nicht gewartet werden –, besteht das größte Risiko darin, das Philae uneben aufkommt. Der etwa einen Meter große Roboter könnte an einem Steilhang oder auf der Kante eines Felsklotzes aufkommen und umkippen. Er ist zwar für manche Eventualitäten vorbereitet, aber nicht für alle. Als er in den 90er Jahren konstruiert wurde, war nicht einmal klar, dass Tschurjumow-Gerassimenko der Komet sein würde, auf dem er landen soll. Und man weiß erst seit einigen Wochen, wie der Komet aussieht.

Der Landeplatz für Philae ist einigermaßen eben, aber es gibt dort auch haushohe Brocken. Er liegt am Kopf des zweigeteilten Kometen und bekommt viel Sonne ab. Das ist wichtig für die Stromversorgung, aber auch für gut belichtete Bilder, denn der Komet ist nicht grau, wie er auf den Bildern erscheint, sondern pechschwarz. Die Aufnahmen, die das Mutterschiff Rosetta in den vergangenen Wochen zur Erde gefunkt hat, zeigen auf der Kometenoberfläche Dünen und Erdrutsche. Doch die Forscher warnen davor, die Bilder nach irdischen Gewohnheiten zu interpretieren.

Niemand weiß genau, woraus Kometen beschaffen sind. Es ist viel Eis und Staub dabei, auch biologische Moleküle hat man im Schweif eines Kometen ausgemacht. Das Material hat sich seit den Anfängen des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert, denn Tschurjumow-Gerassimenko hat die meiste Zeit weit draußen im All verbracht. Erst seit 1959 ist er auf seiner aktuellen Bahn, die ihn alle 6,5 Jahre so dicht an der Sonne vorbeiführt, dass er sich erwärmt, Staub und Gas ausstößt und damit einen Schweif bildet.

20 Jahre Arbeit könnten umsonst gewesen sein

Von der Erde aus kann man Tschurjumow-Gerassimenko, der nach seinen beiden ukrainischen Entdeckern benannt ist, nur mit starken Teleskopen erkennen. Ein Funksignal braucht 28 Minuten und 20 Sekunden für die Strecke. Am Mittwoch werden die Piloten im Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt gegen halb neun zum letzten Mal entscheiden, ob sie die Landung noch abbrechen und auf einen anderen Tag verschieben sollten. Dann senden sie die letzten Kommandos – und warten. Wenn nichts dazwischenkommt, wird das Mutterschiff Rosetta Philae am Mittwoch um 9.35 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit einem Schubs von nicht einmal einem Stundenkilometer abstoßen. Danach wird Philae durch die Schwerkraft des Kometen angezogen und wie eine Feder aus 22,5 Kilometer Höhe zu Boden fallen. Der Komet wird sich in den sieben Stunden der Landung ein halbes Mal um sich selbst drehen. Wenn die Piloten richtig gezielt haben, müsste Philae um 16.30 Uhr aufsetzen, eine halbe Stunde später die Bestätigung im Kontrollzentrum eintreffen.

Für die Entwickler von Philae steht alles auf dem Spiel. 20 Jahre nach ihren ersten Skizzen geht es nun um die Frage, ob sich die Arbeit, die 200 Millionen Euro Entwicklungskosten und das lange Warten lohnen werden. Philae hat zehn Instrumente an Bord, daher stehen zehn Forscherteams unter Strom. Die Kollegen, die Instrumente an Bord von Rosetta betreiben, haben ihre Arbeit bereits aufgenommen. Rosetta umkreist den Kometen schon seit einigen Wochen und wird ihn in den kommenden Monaten weiter begleiten, während er sich der Sonne nähert.

Das Landemanöver: Die Raumsonde Rosetta fliegt einen Bogen, um den Landeroboter Philae richtig abzusetzen.

Bodenmission: Der Roboter Philae soll die Umgebung fotografieren und Bodenproben untersuchen.

Kurzfilm: Die Europäische Raumfahrtagentur (Esa) hat einen Science-Fiction-Film über ihren Ehrgeiz gedreht.