Die Entscheidung der EU-Finanzminister, unter dem Dach der Europäischen Zentralbank eine Aufsicht für den Euroraum anzusiedeln, ist ein bedeutsames Ereignis. Es ist ein erster Schritt, meint StZ-Korrespondent Christopher Ziedler. Weitere müssen folgen.

Brüssel - Es ist das größte europäische Einigungsprojekt seit Einführung des Euro. Die gemeinsame Verantwortung für den Bankensektor, der aus dem Ruder gelaufen und mitverantwortlich für die Eurokrise war, markiert den entscheidenden Schritt, um das Primat der Politik wiederherzustellen. Grenzüberschreitend haben Zockerbanken Europas Steuerzahler erpresst. Damit muss Schluss sein!

 

Die Entscheidung der EU-Finanzminister, unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Aufsicht für den Euroraum anzusiedeln, gehört somit in die Kategorie bedeutsamer Ereignisse. 80 Prozent der Bankgeschäfte im Euroraum werden bald zentral von Frankfurt aus überwacht. Das geflissentliche Wegsehen nationaler Aufseher, das unliebsame Über-raschungen in Milliardenhöhe in Irland und Spanien, aber auch in Deutschland mit sich brachte, könnte der Vergangenheit angehören. Dass sich für Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die nicht im globalen Casino gezockt haben, praktisch nichts ändert, ist nur folgerichtig.

Die Europäische Zentralbank, in der Krise ohnehin zum wichtigsten Akteur der Eurorettung aufgestiegen, wird eine nie gekannte Machtfülle auf sich vereinen. Das wirft zusätzliche Fragen nach der demokratischen Legitimation auf – auch wenn das Europaparlament in den Verhandlungen gewisse Informationsrechte erstritten hat. Es bleibt das ungute Gefühl, dass die 23 nicht gewählten Männer im EZB-Rat wichtige Zukunftsentscheidungen treffen.

Wer zieht am Ende den Stecker?

Das Problem wird sich bei den nächsten Schritten auf dem Weg zur Bankenunion weiter verschärfen. Ein zentraler Politikbereich wird auf zumindest wackeliger Rechtsgrundlage vergemeinschaftet. Im Idealfall gäbe es für diese folgenschwere Operation am offenen Herzen der Gemeinschaft einen neuen EU-Vertrag. Weil das Nachdenken darüber vertagt worden ist, gleichzeitig aber fast alle Akteure schnell eine Bankenunion wollen, zimmern sie sich Hilfskonstruktionen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind beträchtlich.

Beispiel Bankenabwicklung: es ist zwingend, dass Geldhäuser geschlossen werden, wenn ihr Geschäftsmodell nicht nachhaltig ist. Vor solchen Entscheidungen sind nationale Aufseher und Regierungen in der  Vergangenheit regelmäßig zurückgeschreckt – siehe Zypern. Das liegt nicht nur daran, dass die Instrumente fehlten, sondern auch an der Klüngelei. Es muss nicht zuletzt im deutschen Interesse sein, potenziell teure Probleme auf der europäischen Ebene zu behandeln. Doch es handelt sich um juristisch unerforschtes Terrain.

Wer nämlich zieht am Ende den Stecker? Stand jetzt ist kaum vermittelbar, dass die EU-Kommission in einem theoretischen Szenario das Ende der Deutschen Bank beschlösse. Einen praktikableren Vorschlag hat die Bundesregierung aber noch nicht vorgelegt. Das Finanzministerium favorisiert derzeit eine Arbeitsgruppe des Ministerrates, die an einem Krisenwochenende entscheiden könnte. Nach Basisdemokratie klingt das nicht.

Wer muss für neue Milliardenrisiken geradestehen?

Viele heikle Entscheidungen von diesem Kaliber werden noch folgen, ehe die Bankenunion wirklich steht. Das fängt mit der Frage an, ob der Euro-Rettungsschirm Banken retten soll, wenn die brancheninternen Krisenfonds noch nicht gefüllt sind. Bis jetzt ist die direkte Bankenrekapitalisierung in Berlin ein Unwort. Da ist der Wunsch vieler Euroländer, vom deutschen Sicherungssystem für Spareinlagen zu profitieren. Und wer muss geradestehen, wenn sich nächstes Jahr bei der großen Bilanzprüfung im Bankensektor neue Milliardenrisiken auftun und die Banken selbst damit nicht klarkommen?

Klar ist, dass noch viel öffentliches Geld fließen wird, bis das große Versprechen einer den Steuerzahler schützenden Bankenunion Wirklichkeit wird. Ein wichtiger Schritt ist gemacht, mehr aber nicht.